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Zollverwaltung in der Kritik Zollbehörde büsste Leute ohne rechtliche Grundlage

Es ist eine Rüge für die eidgenössische Zolldirektion EZV. Die Bussen, die sie zu Beginn der Zeit der Grenzschliessung verhängte, waren unrechtmässig, findet die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats.

Wie kam es dazu? Als der Bundesrat die Grenzen schloss, hielt er in der ersten bundesrätlichen Verordnung explizit fest, dass sie für Personen mit Schweizer Pass und mit Schweizer Niederlassungsbewilligung offen blieben. Punkt. Doch die EZV, in Absprache mit dem zuständigen Bundesrat Ueli Maurer, hängte Plakate an der Grenze auf, die den Einkaufstourismus und andere grenzüberschreitende Tätigkeiten verboten. Sie büsste Personen, die dagegen verstiessen, mit hundert Franken.

Beschwerde-Flut von Betroffenen

Rasch kam Kritik. Betroffene legten Rekurs ein, Rechtsprofessoren schätzten die Praxis als rechtlich unzulässig ein. Das Staatssekretariat für Migration SEM, das eine Hotline für Fragen rund um die Grenzüberschreitung betrieb, erhielt eine Flut von Beschwerden.

Wie im GPK-Bericht zu lesen ist, kam das SEM zum Schluss, dass die Einschränkung unrechtmässig war. Das Bundesamt für Justiz bestätigte diese Einschätzung. Das hätte der EZB zu denken geben sollen, denn das BJ ist das rechtliche Gewissen der Bundesverwaltung: Ihr obliegt es die Rechtmässigkeit der Gesetze und Verordnungen zu beurteilen.

Christian Bock, Direktor der Zollbehörde, kümmerte das wenig. Er beharrte öffentlich darauf, dass alles mit rechten Dingen zuging. Gleichzeitig aber wirkte die Zollbehörde hinter den Kulissen daraufhin, dass der Bundesrat die COVID19-Verordnung anpasste, um den Grenzverkehr doch offiziell stärker einzuschränken.

Vorschlag der EZV rechtswidrig

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Die EZV schlug vor, praktisch alle Grenzübertritte zu verbieten ausser jene für berufliche Tätigkeiten. So wäre die Bussenpraxis nachträglich noch legalisiert worden. Doch das Bundesamt für Justiz beurteilte diesen Vorschlag als grundrechtswidrig und unverhältnismässig.

Nach einer Aussprache zwischen den Bundesämtern beschloss der Bundesrat, nur ein Verbot des Einkaufstourismus in die COVID19-Verordnung aufzunehmen. Das war drei Wochen nach der Grenzschliessung. Ab dann lief laut Einschätzung der GPK alles legal ab.

Über tausend Bussen erteilt

Der behördliche Übergriff auf die Bewegungsfreiheit dauerte gut drei Wochen. In dieser Zeit verhängte die eidgenössische Zollbehörde laut GPK über tausend unrechtmässige Bussen zu 100 Franken. Das hätte als Anfangsschwierigkeit verstanden werden können. Denn zu Beginn der Pandemie befand sich die Schweiz im Ausnahmezustand. Dass da Fehler passieren, ist verständlich. Unverständlich ist aber, wie die Zollverwaltung darauf reagiert hat. Sie hätte sie ihren Irrlauf einstehen und die Bussen zurückerstatten können.

Umsetzung der Covid-19-Massnahmen an der Grenze

Aber stattdessen beharrt die EZV bis heute auf der Rechtmässigkeit ihrer Bussenpraxis. Und sie schikanierte Bürgerinnen und Bürger, die sich dagegen wehrten, mit zusätzlichen Verfahren – ein Vorgehen, das mindestens in einem Fall gerichtlich als unzulässig eingestuft wurde.

Mangelnde Fehlerkultur

Das Verhalten der Behörde zeugt von einer mangelnden Fehlerkultur und einem zweifelhaften Verständnis für Grundrechte. Das ist beunruhigend, denn es geht hier nicht um eine Bagatelle, sondern um einen Eingriff in die Bewegungsfreiheit. Es ist ein elementares Recht jedes freien Menschen, sein Land zu verlassen und zurückzukehren.

Dass das alles Folgen haben wird für die Verantwortlichen, ist aber eher unwahrscheinlich. Die GPK kann nur Empfehlungen an den Bundesrat abgeben. Sie empfiehlt, dass die Zollbehörde in Zukunft stärker auf das Bundesamt für Justiz hört. Immerhin hätte das verhindert, dass es zu den Übergriffen an der Grenze kam.

SRF 4 News, 25.6.21; 22 Uhr

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