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Zoo Zürich Wo tierische Nachbarschaft funktioniert – und wo nicht

In modernen Zoos werden mehrere Tierarten in einer Anlage gehalten. Was Vorteile hat, kann aber auch tödlich enden.

Irgendwann hatte Nashornbulle Kimba genug. Der Zebrahengst wollte sein Revier markieren und ging nicht zur Seite, als das Nashorn kam. Dieses Getue liess sich der zwei Tonnen schwere Kimba nicht gefallen, setzte sein Horn ein und verletzte das Zebra so schwer, dass es starb.

Zebras, Antilopen, Impalas, Giraffen und auch Nashörner leben alle zusammen auf der Lewa-Savanne im Zoo Zürich
Legende: Zebras, Antilopen, Impalas, Giraffen und auch Nashörner leben alle zusammen in der Lewa-Savanne im Zoo Zürich Zoo Zürich / Goran Basic

Dieser Vorfall ist nun fast vier Jahre her. Heute ist es friedlicher auf der Savannenanlage des Zoos Zürich, wo Nashornbulle Kimba gerade ein Schlammbad nimmt. Seit die Lewa-Savanne vor fünf Jahren eröffnet hat, leben hier mehrere Tierarten zusammen auf dem 5.6 Hektaren grossen Gelände: Nashörner, Zebras, Giraffen, Strausse, Säbelantilopen und Perlhühner etwa.

Mehr Reize, aber auch Stress

Diese Nähe der tierischen Nachbarn habe Vorteile, sagt Marta Manser, Professorin für Verhaltensbiologie von der Universität Zürich: «Mehrere Tierarten zusammen profitieren von viel grösseren Räumen, was allen zugutekommt.» Zudem seien die Tiere neuen Reizen ausgesetzt, was das Leben interessanter mache.

Allerdings sei darauf zu achten, sagt Marta Manser, dass die Tiere nicht überfordert würden: «Wenn ein Tier konstant im Stress ist und sich nirgends mehr beruhigen kann, muss man sich überlegen, ob das die richtige Gemeinschaft ist.»

Der Nashornbulle Kimba ist nicht mehr gleichzeitig auf der Anlage unterwegs wie der neue Zebrahengst.
Legende: Der Nashornbulle Kimba ist nicht mehr gleichzeitig auf der Anlage unterwegs wie der neue Zebrahengst. Zoo Zürich / Pascal Marty

Der Zoo Zürich hat explizit darauf geachtet, dass die schwächeren Tierarten Rückzugsmöglichkeiten haben, etwa mit Hölzern abgegrenzte Areale, wo Antilopen durchkommen, Nashörner aber nicht. Auch aus dem Vorfall mit dem Zebrahengst hat das Zoo-Team gelernt: Der neue Hengst wird nicht mehr gleichzeitig mit dem Nashorn auf die Anlage gelassen.

Man kann nicht auf alles verzichten, nur weil eine kleine Chance besteht, dass etwas passiert.
Autor: Marta Manser Professorin für Verhaltensbiologie an der Universität Zürich

Für Marta Manser ist es richtig, dass der Zoo probiert hat, die beiden Männchen zusammen zu halten. «Man kann nicht auf alles verzichten, nur weil eine kleine Chance besteht, dass etwas passiert.» Für die Verhaltensbiologin wäre es auch möglich, dass Raubtiere und ihre Beutetiere im Zoo zusammen gehalten werden – immer unter der Voraussetzung, dass die Beutetiere Schutz suchen können.

Die Löwinnen teilen sich die Anlagen mit Tigern und Schneeleoparden – aber sind sie nicht zur selben Zeit am selben Ort.
Legende: Die beiden Löwinnen teilen sich die Anlagen mit den Tigern und den Schneeleoparden – allerdings sind sie nicht zur selben Zeit am selben Ort. Zoo Zürich / Enzo Franchini

Auch der Zoo Zürich hat sich solches schon überlegt – etwa einen Geparden auf die Savanne zu lassen. Derzeit leben die Raubkatzen allerdings noch anderswo. Tiger, Löwen und Schneeleoparden teilen sich dieselben Anlagen, sind aber nicht gleichzeitig am selben Ort. Wegen des Rotationsprinzips können die Grosskatzen immer wieder neue Spuren ihrer Nachbarn entdecken.

Tiger in Sicht: Der Tiger auf dem Verbindungssteg zwischen den Anlagen sind auch sichtbar für die Schneeleoparden.
Legende: Tiger in Sicht: Der Tiger auf dem Verbindungssteg zwischen den Anlagen ist auch sichtbar für die anderen Grosskatzen. Zoo Zürich / Sandro Schönbächler

Sie riechen sich und sehen sich sogar gegenseitig. «Es war spannend zu beobachten, wie die Schneeleoparden reagierten, als sie erstmals einen Tiger auf dem Verbindungssteg liegen sahen», sagt Claudia Rudolf von Rohr, Leiterin Tiere und Artenschutz beim Zoo Zürich.

Die Tiere seien vorsichtiger, hätten jedoch Vertrauen, dass ihnen nichts passiere in der Anlage. Schliesslich sind die Schieber zwischen den Bereichen stets fest verschlossen.

Rote Varis vertrauen den Menschen

Im Masoala-Regenwald müssen alle Tiere ständig austarieren, wo sich die Nachbarn befinden, wer gefährlich werden kann und wer wen stört. In der Halle leben 2000 einzelne Tiere von 30 verschiedenen Arten zusammen: Rote Varis, Mähnenibisse, Schildkröten, Flughunde und Chamäleons – und auch die Menschen, die hier ohne Gitter, Graben oder Scheiben Teil des Geschehens sind.

Rote Varis in der Masoala-Halle im Zoo Zürich sind neugierig und getrauen sich nahe zu den Menschen.
Legende: Rote Varis in der Masoala-Halle im Zoo Zürich sind neugierig und getrauen sich nahe zu den Menschen. Zoo Zürich / Fabio Süess

Auch diese Nachbarn haben die Tiere integriert. Die Roten Varis bauten etwa ihr Nest unmittelbar neben dem Aussichtsturm. Claudia Rudolf von Rohr: «Sie vertrauen den Menschen offenbar derart, dass sie wussten, dass den Jungen nichts passieren würde.»

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 7.8.2025, 06:31 Uhr ; 

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