Biel ist bekannt für den Bilinguismus, die Zweisprachigkeit. Die Stadt rühmt sich damit, wirbt damit. Über lange Jahre hinweg war es normal, in einer Bäckerei in Biel «un pain au chocolat» zu bestellen und beim Hinausgehen «e schöne Tag» zu wünschen. Oder ein Gespräch mitzuhören, bei dem mitten im Satz die Sprache gewechselt wird. «Chacun», wie er kann – so die Devise.
Die Toleranz der anderen Sprache gegenüber hat abgenommen.
«Der lockere Umgang mit der anderen Sprache ist nicht mehr überall vorhanden.» Das sagt die Historikerin Margrit Wick. Sie lebt und arbeitet seit 40 Jahren in Biel und beobachtet die Entwicklungen dort: «Die Toleranz der anderen Sprache gegenüber hat abgenommen.»
«Viele Welsche können nicht mehr Deutsch sprechen, und sie wollen auch gar nicht. Sie sehen die Zweisprachigkeit nicht mehr als Chance an.» Das führe dazu, dass auch diejenigen, die Schweizerdeutsch sprechen, oft nicht mehr automatisch auf Französisch umstellen. Sie kenne einige Deutschschweizer, denen es verleidet sei, die Sprache zu wechseln, so Margrit Wick.
Mehr französischsprachige Menschen in Biel
Diese Entwicklung hat einen Grund: Biel verändert sich. Seit Jahren nimmt der Anteil französischsprachiger Menschen zu. Noch sind die Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer in der Mehrheit, ihr Anteil liegt bei 55.6 Prozent. Die Französischsprachigen machen 44.4 Prozent aus – vor etwas mehr als zehn Jahren lag der Anteil noch unter 40 Prozent.
«Es kommen vor allem junge Familien aus der Romandie nach Biel», erklärt Glenda Gonzalez Bassi diesen Anstieg. Sie ist Stadtpräsidentin von Biel und selbst französischsprachig. Die Familien würden vor allem wegen des günstigeren Wohnraums und der Zweisprachigkeit kommen.
«Die Eltern aus den welschen Kantonen wollen, dass ihre Kinder zweisprachig aufwachsen, und das ist in Biel möglich», so Gonzalez Bassi. Die Zweisprachigkeit beginne bereits in den Kindertagesstätten und werde dann in den Schulen und Tagesschulen weitergeführt.
Die Menschen integrieren sich, sind in Vereinen aktiv und engagieren sich im Kulturbereich.
Dass in Biel mehr Menschen frankofon sind, merke man auch im Alltag: «Auf den Strassen und in den Geschäften hört man viel mehr Französisch als noch vor ein paar Jahren», sagt Gonzalez Bassi. Für die Stadtpräsidentin ist das eine positive Entwicklung: «Die Menschen integrieren sich, sind in Vereinen aktiv und engagieren sich im Kulturbereich.»
Nebeneinander statt miteinander
Allerdings habe sich die Nachbarschaft zwischen Deutschschweizern und Romands verändert, sagt Gonzalez Bassi: «Die Welschen, die neu in Biel sind, leben eher neben den Deutschschweizern, die Alteingesessenen leben eher miteinander.»
Laut der Stadtpräsidentin kommen die Romands vielfach aus Neuenburg, Lausanne oder Genf. Das sei entscheidend für die Entwicklung, meint die Bieler Historikerin Margrit Wick: «Das ist nicht Courtelary oder Péry im Berner Jura, wo sich die Menschen den Umgang mit dem Schweizerdeutschen gewohnt sind.»
Es braucht von beiden Seiten einen Effort.
Mit diesen Romands müsse man Hochdeutsch sprechen, weil sie meist nur das verstünden. Und hier liege das Problem bei den Deutschschweizerinnen und Deutschschweizern, so die Historikerin: «Ich kenne Deutschbieler, die ausschliesslich Schweizerdeutsch mit den Romands sprechen.»
«Es braucht von beiden Seiten einen Effort», sagt denn auch die Bieler Stadtpräsidentin Glenda Gonzalez Bassi. Nur so funktioniere das Miteinander bei der Zweisprachigkeit auch in Zukunft.