Am 5. November 2024 stehen in den USA Präsidentschaftswahlen an. Und am kommenden Dienstag, 5. März, der sogenannte «Super Tuesday»: an diesem Tag wird eine Vielzahl der US-Bundesstaaten ihre Vorwahlen abhalten. Was aber bedeuten diese Vorwahlen? Wie wichtig sind sie? Wie steht es um die Chancen von Donald Trump und Joe Biden, wieder Präsident zu werden? Gibt es andere relevante Kandidierende? Und welche Themen bestimmen den Wahlkampf?
Die SRF-US-Korrespondentinnen Barbara Colpi und Viviane Manz haben Ihre Fragen zu den Präsidentschaftswahlen und der politischen Situation in den USA beantwortet.
Chat-Protokoll:
Es hat ja in den USA extrem viele alte Politiker*innen die ihren Platz einfach nicht räumen wollen (Mitch McConnell etc). Hat es dahinter auch jüngere Kandidat*innen in beiden Parteien oder wird es immer so ein altes, traditionelles Parlament/Regierung bleiben? Va das Image von Personen wie McConnell ist doch ziemlich angekratzt nach dem Dilemma mit dem Sturm aufs Kapitol und deren ungenaue Äusserungen. Oder ist das angekratzte Image nur eine Einbildung?
Barbara Colpi: Jüngere Kandidatinnen und Kandidaten haben es in der Tat oft schwer sich gegen ältere und somit erfahrenere Kongressabgeordnete bei den Wahlen durchzusetzen. Zur Erinnerung: Mitglieder des Repräsentantenhauses müssen sich alle zwei Jahre der (Wieder)wahl stellen, Senatorinnen und Senatoren alle 6 Jahre. Noch kurz zu Mitch McConnell, der ja angekündigt hat im November sein republikanisches Spitzenamt im Senat (Minderheitsführer) abzugeben. Seine Gesundheit gab oft zu reden in der Vergangenheit und ob sein Image angekratzt ist, hängt vom politischen Standpunkt ab. Den Trump-Anhängern ist er ein Dorn im Auge – bei moderaten Republikaner wird er auch wegen seiner Fähigkeit für Kompromisse mehr geschätzt.
Warum bringt SRF so wenig Hintergrund? Beispielsweise – Russian Hoax 1.0 und 2.0 – Sheldon Whitehouse und Dark Money – Voter Suppression und das absurde Electoral College – Und geschichtlich zum Beispiel die Entwicklung von Einwanderung und Migration von Reagans Rücktrittsrede 89 über Gingricht 94 (keine Zusammenarbeit mit den Demokraten) und Boehner 2011 (kein Einwanderungsgesetz für Obama) bis zu Trump 24 (... vergiften unser Blut )
Viviane Manz: Solche Themen waren schon immer wieder Teil in unserer Berichterstattung. Die Rolle von Gingrich etwa hier von Kollege Pascal Weber . Es freut mich, dass Sie sich für Hintergrund-Berichterstattung interessieren! Natürlich sieht man nicht alles, was über den Sender geht. Und zum Teil ist es in einen Bericht eingebaut und nicht so leicht zu finden unter SRF.ch/play. Es ist aber immer wieder unser Ziel, historisch zurückzublicken und einzuordnen. ich nehme das als Auftrag gerne an.
Mich würde interessieren, auch wenn es «nur» Ihre Meinung ist, ob der aggressive, aufgeladene Ton beider(!) Kandidaten die US-Politik nachhaltig verändern wird. Ist es überhaupt noch möglich, als «sanfter» Kandidat eine Chance zu haben? Oder ist Polemik mittlerweile notwendig, um überhaupt wahrgenommen zu werden?
Barbara Colpi: Ich denke, dass bis zu einem gewissen Grad Polemik notwendig ist, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Der Ton in der Politik ist ein schärferer in den USA und derart direkte Angriffe auf die Person sind wir uns in der Schweiz auch weniger gewohnt. Man muss sich nur einmal Wahlvideos anschauen, respektive die TV- und Radiowerbung, um sich eine Idee zu machen.
Da das jetzt mit Taylor Swift wieder aktueller wurde: Wie stark lässt dich die Bevölkerung beeinflussen von «Vorschlägen» aus der Pop-Kultur? Könnte eine Taylor Swift die Wahl beeinflussen, wenn sie öffentlich für Biden sprechen würde?
Barbara Colpi: Taylor Swift ist ein einzigartiges Phänomen und entsprechend darf ihr Einfluss nicht unterschätzt werden. Dabei geht es gar nicht unbedingt darum, ob die «Swifties» dann einfach blind gleich wählen würden wie sie. Ich denke, es kommt gar nicht so sehr darauf an, ob sich Taylor Swift explizit für Biden aussprechen wird. Sie ist ein politischer Mensch und die Demokratie liegt ihr am Herzen. D.h. schon nur, wenn sie ihre Fans aufruft, wählen zu gehen, könnte dies Biden helfen. Denn sie könnte ein weiblicheres, jüngeres Publikum mobilisieren. Bei den Midterms hatte sich gezeigt, dass gerade wegen der Frage auf das Recht auf Abtreibung jüngere Frauen mehrheitlich demokratisch gewählt haben.
Etwas überrascht, dass die Frage noch nicht gestellt wurde, deshalb traue mch mich jetzt :-): Wer macht es im November, Trump oder Biden?
Viviane Manz: Das ist jetzt vielleicht eine enttäuschende Antwort: es ist noch zu früh. Es kann noch viel passieren, was die Wahl beeinflusst. Bei der letzten Wahl erzielte Biden zwar insgesamt Millionen mehr Stimmen als Trump. Doch entscheidend im US-Wahlsystem waren wenige zehntausend Stimmen in wenigen umkämpften Bundesstaaten. Das heisst, dass es extrem knapp ist. Was wird aus dem Krieg in Gaza, der Biden derzeit Stimmen kostet? Was geschieht in Trumps Prozessen? Was passiert an der Grenze? Haben Trump oder Biden weitere Aussetzer? Da kann noch einiges passieren. Insgesamt hat Trump viele enthusiastische Anhänger – aber eben auch viele Gegner, die praktische jeden wählen würde, wenn das die Alternative ist gegen Trump. Trump mobilisiert also für sich – und gegen sich. In Umfragen liegt Trump derzeit in wichtigen Swingstates knapp vorne. Wenn ich wetten müsste, würde ich knapp auf Biden setzen. Aber nicht viel Geld.
Spielt der US-Bevölkerung das GEschlecht eine ROlle? oder gab es bisher (neben Hillary) einfach noch keine guten weiblichen Kandidatinnen? Wie hat sich die «Frauenquote» grundsätzlich verändert in den letzten Jahren?
Barbara Colpi: Der Frauenanteil in der US-Amerikanischen Politik ist in den letzten Jahren gestiegen und so sitzen im jetzigen Parlament so viele Frauen wie noch nie in der Geschichte mit 28%. Das ist jedoch nur etwas mehr als ein Viertel aller Kongressabgeordneten und somit sind die Frauen nach wie vor untervertreten. Ich höre oft von Frauen, die sagen, sie wünschten sich endlich eine erste Präsidentin. In der jetzigen Konstellation sieht es jedoch nicht danach aus, als ob die Zeit dafür reif wäre.
Kann man sagen, wo ungefähr die Demokraten auf dem Schweizer Parteienspektrum zu verorten wären? Ich habe manchmal das Gefühl, sie werden bei uns als linker wahrgenommen, als sie eigentlich sind.
Viviane Manz: Die Demokratische Partei umfasst ein sehr weites Spektrum. Es gibt ja auch nur zwei Parteien, Republikaner und Demokraten.. Das Spektrum der Demokraten umfasst von ganz links bis zur Mitte, vielleicht von Juso/SP/Grüne bis hin zu CVP/GLP. Wahrscheinlich wären auch einige FDP-Wählerinnen und Wähler in den USA Demokraten. Ein Teil der Demokraten ist definitiv nicht «links», wie das in der Schweiz definiert ist.
Ist die USA vergleichsweise wirklich noch so traditionell/konservativ? Mit Bernie Sanders schien damals ja doch ein recht progressiver Ruck mit «neuen» Ideen durchs Land zu gehen.
Barbara Colpi: Die Unterschiede in der US-Amerikanischen Gesellschaft sind immens. Es gibt die ganze Bandbreite von sehr traditionell und konservativ eingestellten Menschen bis zu sehr progressiven. Oft hört man nur von denjenigen mit den extremsten Einstellungen, da sie am stärksten polarisieren. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner würden sich selber wohl aber irgendwo dazwischen situieren.
Vielleicht nicht ganz passend zum Thema aber was wurde eigentlich aus Mike Pence?
Barbara Colpi: Der ehemalige Vizepräsident Mike Pence (unter Trump) stieg ja auch ins Rennen um die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten. Seine Kampagne kam aber nie richtig in Schwung und er hat das Handtuch geworfen.
Guten Tag, wegen der Rückfrage zum «christian nationalism». Es gibt einen Beitrag von PBS dazu mit dem Titel «What is Christian nationalism and why it raises concerns about threats to democracy». Aus dem Beitrag: «Den Umfragedaten zufolge stimmen christliche Nationalisten Aussagen zu wie: Die Bundesregierung sollte die Vereinigten Staaten von Amerika zu einer christlichen Nation erklären. Unsere Gesetze sollten auf christlichen Werten beruhen. Christ zu sein ist wichtig, wenn man ein echter Amerikaner sein will.» Deshalb habe ich es als Problem bezeichnet. Konnten Sie dieses auch schon beobachten?
Viviane Manz: Das Christentum ist tatsächlich für viele Amerikanerinnen und Amerikaner extrem wichtig. In politischen Veranstaltungen der Konservativen ist die Berufung auf Gott und christliche Werte sehr häufig. Und es gibt tatsächlich immer wieder Forderungen, dass die Religion eine wichtigere Rolle im Staat USA spielen soll, dass Gott wichtiger ist als die Demokratie. Dass die USA aber kurz davor stehen, ein «Gottesstaat» zu werden, das sehe ich nicht.
Wie hat es Biden eigentlich begründet, dass er wieder antritt? Ich bin ziemlich sicher dass er zum Anfang seiner Amtszeit gesagt hat, er will nur 4 Jahre und dann einer anderen Person Platz geben.
Barbara Colpi: In der Tat hat sich Joe Biden ursprünglich als Übergangspräsident gesehen. Dass er für eine zweite Amtszeit kandidiert, hat er unter anderem damit begründet, dass er mehr Zeit brauche, um die angefangene Arbeit zu Ende zu bringen. Auch dürfte seine Kandidatur eng mit derjenigen von Trump verbunden sein. Biden betonte immer wieder, er wolle sich für die Demokratie und fundamentale Rechte einsetzen. Ich schliesse es jedoch nicht aus, dass er sich allenfalls doch noch zurückziehen wird. Eigentlich blieb ihm keine andere Wahl, als zu sagen, er trete nochmals an, denn sonst wäre er ab dem Zeitpunkt als Präsident enorm geschwächt gewesen.
Bei der Wahl von Donald Trump, was hätten die Kriege für einen Einfluss? Könnte er sie beenden?
Barbara Colpi: Welchen Einfluss genau die Wahl von Donald Trump hätte, ist stark davon abhängig, ob er auch umsetzen würde/könnte, was er behauptet. Donald Trump zum Beispiel mehrfach gesagt, er könnte den Ukrainekrieg beenden ohne auszuführen wie. Er denkt wohl an Verhandlungen und dass Russland die Ukraine einnehmen würde. Schon jetzt beeinflusst Trump Kongressabgeordnete, die dafür sorgen, dass weitere Hilfsgelder für die Ukraine blockiert sind. Auch drohte Trump mit einem NATO-Austritt. Ob dies nur Drohungen sind oder mehr, ist jedoch schwierig abzuschätzen.
Wieviel kann Donald Trump auf einen wohlwollenden Entscheid des Supreme Court hoffen – es besteht bekanntlich eine konservative Mehrheit?
Viviane Manz: Es werden ja verschiedene Fragen vom Supreme Court behandelt rund um Trump. Grundsätzlich sind die Richter/innen ja unabhängig und nicht ihrer Partei verpflichtet, sondern dem Recht. Aber natürlich spielt die konservative Mehrheit eine Rolle. – bei dem Verfahren rund um eine Disqualifizierung von Donald Trump von der Wahl (14th Amendment) geht man davon aus, dass das Höchste Gericht zugunsten von Trump entscheiden wird, er nicht disqualifiziert wird. Denn die rechtliche Grundlage für eine Disqualifizierung ist dünn. – Bei der Frage, ob Trump Immunität vor Strafverfolgung geniesst, wäre es eine grosse Überraschung, wenn der Supreme Court Trumps Sicht stützen würde. Damit würde sich das Gericht dem Vorwurf der Parteilichkeit aussetzen. Bereits jetzt sagen Kritiker, dass das Gericht im Sinn von Donald Trump handelt, weil es die Frage nicht schnell genug behandelt.
Schon ein tieferer Blick in die Glaskugel, dennoch etwas, das mich beschäftigt: Hätte AOC einmal das Potenzial und die Chance. Präsidentin zu werden?
Viviane Manz: Stand jetzt ist Alexandria Ocasio-Cortez zwar ein Shooting-Star in ihrer Partei, und kommunikativ sehr stark, aber ihre Position sehr links. Um eine Mehrheit des US-Stimmvolks hinter sich zu scharen, ist sie wohl zu links. Denn die meisten Menschen in den USA stehen irgendwo in der Mitte. AOC hätte wohl Mühe, die entscheidenden WechselwählerInnen in der Mitte zu gewinnen. Dazu muss sie auch Geldgeber überzeugen, denn ein Präsidentschaftswahlkampf ist enorm teuer.
Sollte Trump Präsident werden, wie beurteilen Sie das Verhältnis von USA zu Russland/Putin und insbesondere zum Krieg in der Ukraine resp. zur Nato? Wird Trump den Krieg in der Ukraine mit Verhandlungen mit Putin beenden können? (Wie Trump geprahlt hat, dass er innert 24 h den Krieg in der Ukraine beenden könne!).
Viviane Manz: Ob Trump den Krieg beenden kann: Trump wählt bekanntlich die grossen Worte. Wie als er versprach, eine Grenzmauer zu bauen, für die Mexiko bezahlen werde. Was nicht geschehen ist. Und wie er den Ukraine-Krieg in 24 h beenden würde, das ist sein Geheimnis...
Der Super Tuesday ist kein gesetzlicher Feiertag? Das heisst nur die, die es sich leisten können, können abstimmen? An der Urne abstimmen ist in den USA ja noch die Norm, oder? ODer wie kann abgestimmt werden?
Barbara Colpi: Wie abgestimmt werden kann wird in jedem Bundesstaat separat geregelt. Bei den Vorwahlen zusätzlich auch jede Partei. Es ist so, dass nicht überall eine briefliche Wahl möglich ist und auch die Wahllokale nicht überall schon vorab an mehren Tagen geöffnet sind. Dies führt vor allem bei den Präsidentschaftswahlen immer wieder zu Diskussionen, dass es eine Diskriminierung gibt gegenüber Menschen, die es sich nicht leisten können frei zu nehmen und stundenlang in einer Schlange zu stehen.
Ich habe letztlich in der PBS Newshour einen Bericht über «christian nationalism» gelesen, der sich primär aus den Evangelikalen zusammensetzt. Ich kann jeweils schwer einschätzen, inwieweit das Thema aufgebauscht wird oder ist das wirklich so ein stark wachsenden Problem mit immenser Auswirkungen auf die Wahlen? Danke für Ihre Antwort.
Viviane Manz: Guten Tag, ich bin nicht sicher, was Sie genau meinen, welches stark wachsende Problem. Die Evangelikalen sind seit einigen Jahrzehnten ein wichtiger Wählerblock in den USA. Sie wurden vor allem durch die Abtreibungsfrage mobilisiert. Gerade auf Republikanischer Seite sind die Evangelikalen eine Wählergruppe, die in den Vorwahlen enorm wichtig sind. Sie haben etwa auch Donald Trump zur Wahl mitverholfen.
Wie sieht es eigentlich um die Vizepräsidenten aus? Macht Kamala Harris auch weiter? Wen würde Nikki Haley stellen? Und wen Trump?
Barbara Colpi: Joe Biden hat von Anfang an klar gemacht, erneut mit Vizepräsidentin Kamala Harris anzutreten. Donald Trump hat noch nicht öffentlich verkündet, wer sein(e) Vizepräsident(in) sein wird. Er hat gesagt, sich entschieden zu haben. Namen zirkulieren viele, hier eine kleine Auswahl, wer am häufigsten genannt wird: Vivek Ramaswamy (ehem. Kandidat, Unternehmer). Tim Scott (Senator South Carolina), Kristi Noem (Gouverneurin South Dakota), Elise Stefanik (Repräsentantenhaus New York), Tulsi Gabbard (ehem. demokratische Kongressabgeordnete). Nikki Haley hat sich nie dazu geäussert und sich mit ihren zuletzt aggressiveren Tonart gegenüber Donald Trump wohl selbst aus dem Rennen genommen als VP nominiert zu werden.
Kam Nikki Haley eigentlich überraschend als Kandidatin? Ich als Laie habe vorhin noch nie etwas von ihr gehört. Was zeichnet sie aus?
Viviane Manz: Nikki Haley wurde seit Jahren als mögliche Präsidentschaftskandidatin gehandelt. Sie hat einen bemerkenswerten Leistungsausweis: Sie war Gouverneurin des Bundesstaats South Carolina und galt dort als recht erfolgreich. Später war sie US-Botschafterin bei der Uno unter Donald Trump. Dort konnte sie aussenpolitische Erfahrung sammeln.
Was ich mich frage: Wird die US-Bevölkerung eigentlich politischer oder apolitischer? Also interessiert sie sich seit der Trump-Ära mehr für Politik? Für mich wäre es ein Graus, in so einem politischen System leben zu müssen.
Viviane Manz: Mein Eindruck ist, dass es bei vielen eine Politik-Müdigkeit gibt. Seit der Wahl von Donald Trump ist Politik auch ein heikles Gesprächsthema, das viele in persönlichen Kontakten vermeiden. In der derzeitigen Wahl sind wiederum viele ratlos, weil sie mit beiden voraussichtlichen Kandidaten unzufrieden sind. Das ist die eine Seite. Umgekehrt höre ich auch von vielen, dass sie existentielle Angst haben, dass die USA «untergehen», sie ihr Land «verlieren». Die einen glauben, dass nur Trump die USA retten kann – und die anderen glauben, dass gerade Trump die Demokratie in den USA zerstören wird. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass viele Menschen in den USA extrem besorgt sind über die Situation im Land.
Wie realistisch ist es, dass die 450 Millionen Busse Trump bremsen können?
Viviane Manz: Interessante Frage. Donald Trump hat entgegen den Gepflogenheiten nach seiner Wahl 2016 seine Steuererklärung nicht offen gelegt, wie das bisher andere Präsidenten taten. Niemand weiss genau, wie hoch sein Vermögen ist. Trump hat jedoch kürzlich vor Gericht argumentiert, dass er das Geld nicht aufbringen kann. Das ist ein Anzeichen, dass ihn die Bussen durchaus schmerzen, und ihn und seine Geschäfte in die Bredouille bringen.
Wie würde die Beziehung zwischen der NATO und der USA aussehen, wenn Donald Trump erneut regieren würde?
Viviane Manz: Donald Trump hat bereits als US-Präsident und auch jetzt im Wahlkampf immer wieder Aussagen gemacht, in denen er die Rolle der USA in der Nato in Frage stellt. So hat er kürzlich gesagt, er habe einem Nato-Land gesagt, er würde es nicht beschützen und würde Russland bestärken, alles zu tun was sie wollen. Denn die Nato-Staaten müssten ihre Rechnungen bezahlen. Es ist eine lange Forderung Trumps, dass die Nato-Staaten ihre Verteidigungsausgaben erhöhen. Wie genau man Trump beim Wort nehmen soll, ist unklar, aber ich gehe davon aus, dass man seine Skepsis gegenüber der Nato ernst nehmen muss. Viele Kritiker Trumps in den USA gehen davon aus, dass er als Präsident die Nato schwächen würde und im Falle eines Angriffs Russlands auf einen Nato-Mitgliedstaat wohl nicht intervenieren würde.
Ein Putin-naher Us-Präsident macht mir grosse Angst. Wie wichtig ist der Ukrainekrieg/Nato-Bündis für die Bevölkerung in den USA?
Barbara Colpi: Diese Frage kann ich nur aufgrund meiner subjektiven Erfahrungen beantworten. Mir fällt aber auf, dass für sehr viele «Durchschnitts- Amerikanerinnen/Amerikaner» der Ukrainekrieg sehr weit weg ist und auch das Nato-Bündnis weniger wichtig. Grundsätzlich interessiert sich die breite Bevölkerung eher weniger für Aussenpolitik.
Warum gibt es keine jüngeren (ca. 50-jährig), (fähigen und willigen Alternativ-Kandidat/innen zu Donald Trump (77) und Joe Biden (81)?
Viviane Manz: Joe Biden hat erklärt, wieder zu kandidieren. Die Persönlichkeiten bei den Demokraten, die als künftige mögliche Kandidierende gelten, haben sich entschieden, nicht gegen den amtierenden Präsidenten anzutreten – da es wohl allen schaden würde. Bei Trump hat sich in den Vorwahlen schlicht gezeigt, dass eine Mehrheit der Republikaner ihn wählt, und keinen der anderen, jüngeren Kandidierenden. Ein massgeblicher Teil der Konservativen traut Trump zu, die Probleme des Landes am besten zu lösen, in der Wirtschaft, bei der Immigration, und teils auch bei der Aussenpolitik, da sie ihn als starken Mann sehen.
Was sind für die US-Bevölkerung die Themen, die sie monopolisieren? Ist beispielsweise der Klimawandel wichtig für sie?
Barbara Colpi: Der Klimawandel ist für einen Teil der US-Bevölkerung wichtig, und das Thema polarisiert, ist aber nicht unbedingt entscheidend bei den Wahlen. Auch bei Themen wie zum Beispiel der illegalen Immigration oder dem Recht auf Abtreibung ist die US-Bevölkerung gespalten.
Guten Tag. Wie ist es möglich, dass in den USA ein Angeklagter mit viel Geld, wie bei Trump, die Gerichte derart beschäftigen und Gerichtstermine derart hinaus schieben und in die Länge ziehen kann, was anderen evtl.nicht möglich ist? Gibt es bei den Gerichten nicht auch ein Limit, zeitlich u.finanziell, welches die Richter beachten müssten und dass sie zudem das öffentliche Interesse an Klärung vor den Wahlen mehr beachten müssten? Oder schützt dieses Rechtssystem diejenigen mit finanziellen Möglichkeiten viel besser als andere? Ist das verfassungsmässig überhaupt rechtens? Mich würde auch interessieren,was all diese Prozesse die USA kosten, auch diese langwierige, angezettelte Untersuchung ohne konkrete Beweise gegen die Bidens? Das zahlen doch alles die Steuerzahler!?
Viviane Manz: Guten Tag, Sicher ist es ein Vorteil für Donald Trump, dass er erfahrene Anwälte mit hohen Honoraren bezahlen kann. Sie reizen derzeit das Justizsystem bis aufs Letzte aus und verfolgen recht erfolgreich eine Verzögerungstaktik. Denn fällt kein Urteil vor der Präsidentschaftswahl, kommt Trump möglicherweise ohne Strafe davon, weil er entweder das Verfahren einstellen lassen kann oder sich selbst begnadigen. Einige wie die Richterin im Fall rund um den Kapitolsturm haben durchaus das öffentliche Interesse im Blick, diese Verfahren rasch zu erledigen. Andere, wie der Supreme Court, scheinen sich derzeit nicht sehr zu beeilen. Tatsache ist aber, dass das Amerikanische Recht jedem Angeklagten Verteidigungsrechte zugesteht. Und Donald Trumps Anwälte wissen, wie diese nutzen. Diese Prozesse kosten tatsächlich auch die Steuerzahler, aber wie gesagt, in einem Rechtsstaat muss jeder sich in einem korrekten Verfahren verteidigen können. Die angezettelte Untersuchung gegen die Bidens hat bisher keine Beweise dafür ergeben, dass Joe Biden sich korrupt oder unkorrekt bezüglich der Geschäfte seines Sohnes verhalten hat. Sie ist wohl politisch motiviert von den Republikanern. Aber man kann auch argumentieren, es ist wichtig, dass diese Frage ebenfalls geklärt wird.
Die US ist gespalten. Die Politik ist wie ein zero sum game: man wählt A, weil man gegen B ist. Selbst in der republikanischen Partei gibt es eine Spaltung. Ist es denkbar dass eine dritte Partei entsteht, die die Mitte vertritt? z.B. mit Nikki Haley.
Barbara Colpi: Das ist möglich. Die Bewegung «No Labels» will zum Beispiel Ende nächster Woche entscheiden, ob und mit wem sie ins Präsidentschaftsrennen steigt. Der nationale Koordinator, Joe Cunningham, hat gesagt, Nikki Haley wäre eine Wunschkandidatin. Allerdings ist fraglich, ob sie es so mit den Republikanern verscherzen möchte, denn sie denkt wohl schon weiter an die Wahlen 2028.
Was bedeutet der Super Tuesday? Kann man Prognosen wagen, was dann passiert? Ich nehme an, in den USA ist das ein gesetzlicher Feiertag...?
Barbara Colpi: Der Super Tuesday heisst so, weil an diesem Dienstag Anfang März in sehr vielen Bundesstaaten innerparteiliche Vorwahlen stattfinden. (Dieses Jahr in 16 Bundesstaaten und einem US-Territorium) und entsprechend viele Delegiertenstimmen vergeben werden. In der Vergangenheit waren jeweils noch sehr viel mehr Kandidatinnen und Kandidaten im Rennen und nach dem Super Tuesday lichtete sich das Feld und es zeichnete sich ab, wer den an den Parteitagen im Sommer zu den offiziellen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und Demokraten ernannt wurde. Dieses Jahr ist die Spannung ungewöhnlich früh schon vor dem Super Tuesday draussen und alles deutet darauf hin, dass Donald Trump und Joe Biden die Vorwahlen für sich entscheiden. Ein gesetzlicher Feiertag ist der Super Tuesday nicht.
Hallo Biden scheint ja schon vor den Vorwahlen als Kandidat der Demokraten gesetzt worden zu sein, obwohl es fähige Mitstreiter in der Partei gäbe, die auch kandidieren. Wie ist sowas möglich? Wer hat so viel Macht und Einfluss in der mächtigsten Demokratie auf dieser Erde um solche Entscheidungenzu treffen? Die Chancen tatsächlich Präsident zu werden liegen für den nominierten Kandidaten einer der beiden grossen Parteien ja ungefähr bei 50%. Danke
Viviane Manz: Joe Biden hat als amtierender Präsident entschieden, dass er wieder antreten will. Die zwei Personen, die gegen ihn antreten in den Vorwahlen der Demokraten, hatten nie ernste Chancen. Diejenigen Persönlichkeiten der Demokraten, die als vielversprechende Kandidierende gelten, wie Gouverneure Andy Beshear oder Gavin Newsom, Gouverneurin Gretchen Whitmer, sie alle kandidieren nicht. Der Grund dafür ist wohl, dass sie davon ausgehen, dass ein parteiinterner Kampf ihnen und Biden nur schaden würde. Als amtierender Präsident ist Biden auch quasi der natürliche Kandidat. Es hätte quasi eine parteininterne Revolte gegen Biden geben müssen, um das zu ändern, doch das ist nicht geschehen. Wenn Biden selber entschieden hätte, nicht wieder anzutreten, wäre die Ausgangslage eine ganz andere...
Heute gelesen auf SRF wegen der Grenze zu Mexiko… Wie wichtig ist «Border Control» noch in diesem Wahlkampf?
Barbara Colpi: «Border Control» und die damit verbundene illegale Immigration kristallisieren sich im Moment als wichtigste Wahlkampfthemen heraus.
Wie kann Joe Biden als Präsident weitermache, wenn er doch Gesundheitlich stark angeschlagen ist. Wieso ist das möglich? Wer bescheingt ihm, dass er noch in der Lage ist, weiter zu machen? Wer kann ihn stopen wenn es nicht mehr geht?
Barbara Colpi: Es gab in der Vergangenheit mehrere US-Präsidenten, die gesundheitlich angeschlagen waren während ihrer Amtszeit. John F. Kennedy litt unter anderem an Nebenniereninsuffizienz oder Woodrow Wilson hatte mehrere Schlaganfälle, darunter einen im ersten Jahr seiner Präsidentschaft. Die Präsidenten müssen sich jährlich einem Gesundheits-Check unterziehen. Eine gesetzliche Altersgrenze oder gesundheitliche Kriterien sind in der Verfassung jedoch nicht konkret verankert. Im 25. Zusatzartikel ist definiert, dass im Falle der geistigen Amtsunfähigkeit ein komplexes Verfahren zur Absetzung des Präsidenten in Gang gesetzt werden könnte.
Wie steht die Chance dass Trump wegen seiner zahlreichen Prozesse, vorallem bezüglich der Kapitol Erstürmung, von einer Wahl ausgeschlossen wird?
Viviane Manz: Guten Tag, Es gibt derzeit nur einen rechtlichen Grund, wonach Donald Trump von der Wahl ausgeschlossen werden kann. Mehrere Bundesstaaten haben ihn ausgeschlossen mit Berufung auf das 14th Amendment, wonach nicht Präsident werden kann, wer an einem Aufstand teilgenommen hat. Diese Frage wird vom Supreme Court beantwortet werden, dem höchsten Gericht der USA. Die rechtliche Ausgangslage ist aber sehr dünn und in einer Anhörung haben die höchsten Richter bereits signalisiert, dass sie skeptisch sind. Deshalb glaube ich nicht, dass Trump disqualifiziert wird. Alle anderen Prozesse verunmöglichen Trump nicht, zu kandidieren und auch nicht, gewählt zu werden. Auch verurteilte Verbrecher können Präsident werden, da die Verfassung dies nicht verbietet. Das gilt auch für den Prozess rund um den 6. Januar / Kapitolsturm. Fazit: Trump wird aller Voraussicht nach nicht von der Wahl ausgeschlossen.
Gibt es in USA ernsthafte Bemühungen, vom faktischen Zweiparteiensystem wegzukommen? Wieso lassen sowohl Demokraten wie Republikaner nach verlorenen Wahlen entsprechende Ansätze wieder fallen, sobald sie ihrerseits wieder zurück an der Macht sind?
Viviane Manz: Das ist tatsächlich eine Frage, die viele Menschen in den USA beschäftigt, da besonders in dieser Wahl so viele Menschen weder mit Biden noch mit Trump zufrieden sind. Es gibt eine Bewegung namens «No Labels», die eine Drittkandidatur prüfen. Ein überparteiliches Ticket. Die Schwierigkeit da ist, dass No Labels nicht zur Helferin für eine Trump-Wiederwahl werden will. Denn die Chance ist gross, dass diese/r Drittkandidatin Stimmen erhält, die dann Biden fehlen, und letztlich Trump gewinnt. Oder umgekehrt. Es ist enorm schwierig für eine/n Drittkandidat/in zu gewinnen. Ganz grundsätzlich ist das US-Wahlsystem so ausgelegt, dass es ein Zweiparteiensystem fördert. Die «Winner-takes-it-all"-Regeln in den Bundesstaaten führen dazu, dass der Kandidat /die Kandidatin mit den meisten Stimmen alle Elektorenstimmen des Staates gewinnt. Drittkandidaten werden schnell zu Spielverderbern ohne echte Wahlchancen. Wenn man das ändern möchte, müsste man das US-Wahlsystem ändern. Dass sich die Parteien darauf einigen können, ist sehr unwahrscheinlich.