Firmen, die sich untereinander absprechen, Monopolisten, die Preise beliebig festsetzen: Bis Mitte der 1980er Jahre sahen viele in der Schweiz darin kein schwerwiegendes Problem.
«Das alte Kartellgesetz war sehr schwach, die Schweiz war das Land der Kartelle. Die Preise waren nicht das Resultat wirksamen Wettbewerbs», erinnert sich Andreas Heinemann, Rechtsprofessor der Universität Zürich und Präsident der Wettbewerbskommission (Weko).
Wäre die Schweiz dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beigetreten, hätte sie automatisch ein modernes Kartellrecht übernehmen müssen. Weil die Mehrheit einen Beitritt 1992 ablehnte, initiierte der Bundesrat eine modernere Wettbewerbspolitik, die 1996 im neuen, totalrevidierten Kartellgesetz und der neuen Wettbewerbskommission gipfelte.
Dem Ziel nähergekommen
Ein wichtiger Schritt, betont Weko-Direktor Patrik Ducrey, denn fehlender Wettbewerb habe gravierende Folgen: «Dann gibt es höhere Preise, schlechtere Qualität, weniger Innovation, und die Produktivität ist tiefer. Darunter leiden Unternehmen, Konsumenten und natürlich auch der Staat.»
Das Ziel der neuen Wettbewerbspolitik war: Den freien Wettbewerb schützen, gegen Missbrauch von Marktmacht, Abschottung und übermässige Regulierung vorgehen. Dem Ziel sei die Weko inzwischen deutlich näher gekommen, findet Ducrey: Kleinere Anlaufschwierigkeiten habe es gegeben. Doch seit einigen Jahren würden viele Verfahren öffentlich wahrgenommen.
25 Jahren Kartellrecht: Die wichtigsten Fälle der Weko
Mehr Biss hat die Weko, seit sie 2004 die Möglichkeit erhielt, selbst Sanktionen gegen fehlbare Unternehmen auszusprechen. Ein weiteres neues Instrument war die sogenannte Kronzeugenregelung. «Das war ganz wichtig», sagt Heinemann. «Viele Kartelle werden heute aufgedeckt, weil ein Kartellmitglied zur Weko kommt und mit einem 100-prozentigen Erlass der Busse belohnt wird. Das schafft Anreize und destabilisiert die Kartelle.»
Weiterhin Absprachen möglich
Rudolf Strahm, ehemaliger SP-Nationalrat und Preisüberwacher und damit auch Mitglied der Weko, zieht eine etwas zurückhaltendere Bilanz nach 25 Jahren. Horizontale Kartelle wie die Absprachen unter verschiedenen Bauunternehmen im Kanton Graubünden habe sie erfolgreich bekämpft.
Anders sehe es bei vertikalen Absprachen zwischen ausländischen Mutterkonzernen und ihren Schweizer Töchtern aus. Er erinnert an die Nivea-Frage: Schweizer Detailhändler können das Produkt weiterhin nur in der Schweiz beziehen – nicht direkt in Deutschland zu dortigen Preisen.
Im Kampf gegen die Hochpreisinsel sei die Weko wirkungsarm geblieben. Den Hauptgrund dafür sieht Strahm in ihrer Organisation: Sie funktioniert als Milizgremium von Verbandsvertretern und Professorinnen.
Ist eine Neuaufstellung nötig?
Die Weko-Organisation sei tatsächlich nicht mehr zeitgemäss, sagt Patrick Krauskopf, Anwalt und früherer Weko-Vizedirektor: «Die Sachverhalte und Probleme sind derart komplex geworden, dass ein Milizsystem gar nicht in der Lage sein kann, die entsprechende Professionalität an den Tag zu legen.»
Dass die Weko anders ist als vergleichbare Behörden in anderen Ländern, bestreitet Heinemann nicht. Er betont aber, dass sich das Milizsystem sehr gut in die Schweizer Kultur einfüge. Denn auch viele andere Funktionen der öffentlichen Gewalt würden im Milizsystem ausgeübt. «Das ist doch ein weltweit sehr interessantes Experiment», so der Weko-Präsident.