Lange galt eine Armeekarriere als unabdingbar, um in der Wirtschaft eine Führungsrolle zu erlangen. Doch mit dem Ende des Kalten Krieges änderte sich das: Die Armee verlor im Berufsalltag immer mehr an Bedeutung. Wer im Militär weitermachen wollte, musste sich mitunter sogar für militärisch bedingte Absenzen rechtfertigen.
Vorbild sein und eine Vision aufzeigen
Armeechef Thomas Süssli – der als Kind Berufszauberer werden wollte und die Rekrutenschule nur widerwillig absolvierte – macht klar, dass die Armee heute viel vermittle, was Führungskräften im zivilen Leben zugutekomme. Wenn die Armee mit Aufträgen führe, Ziele vorgebe und ein Maximum an Freiheit für die Erreichung dieser Ziele lasse, habe das einiges mit transformationaler Führung zu tun.
«Der Kern der Führung ist, dass es darum geht, ein Vorbild zu sein, eine Vision aufzuzeigen, Verständnis zu zeigen für die Mitarbeiter – das heisst nicht, immer einverstanden zu sein –, Vertrauen zu geben, aber dann auch Resultate einzufordern. Das ist genau dasselbe in der Wirtschaft wie auch in der Armee», ist Thomas Süssli überzeugt.
Die Grundlage der militärischen Führung ist das Dienstreglement . Dort heisst es unter dem Abschnitt «Mitdenken und Engagement»: «Führen durch Auftrag verlangt von den Vorgesetzten Mut, Vertrauen und Respekt für die Handlungsfreiheit der Unterstellten.» Und weiter: «Von den Unterstellten verlangt diese Art der Führung aktives Mitdenken und die Bereitschaft, selbständig und initiativ im Sinne des Auftrags zu handeln.»
Wir führen in der Armee nicht mit Befehlen.
Thomas Süssli hört laut eigenen Aussagen immer wieder, dass Führung für ihn einfach sei: «Du kannst einfach hinstehen und befehlen.» Doch genau so sei es nicht: «Wir führen in der Armee nicht mit Befehlen.»
Am Ende muss das Ergebnis stimmen, da besteht kein Unterschied zwischen Militär und Wirtschaft.
Uni-Professorin und Kommunikationsexpertin Miriam Meckel pflichtet Armeechef Thomas Süssli bei: Sowohl in der Armee als auch in der Wirtschaft habe Führung viel mit Vertrauen zu tun und damit, dass einem Dinge vorgelebt würden: «Ich muss nach Leadership-Prinzipien gesagt bekommen: Wie möchten wir das hier eigentlich? Und ich muss die Freiheit haben, Ziele zu erreichen auf Wegen, die für mich die besten sind.» Am Ende müsse das Ergebnis stimmen, da bestehe kein Unterschied zwischen Militär und Wirtschaft.
Als Unternehmerin und Anbieterin von Weiterbildungen sehe sie in viele Firmen hinein. Und da beobachtet Miriam Meckel, dass Führungskräfte immer wieder in alte Führungsmuster zurückfallen – gerade in Zeiten von Unsicherheit.
Die eigentliche Frage ist: Wie weit bin ich bereit, mich wirklich zu verpflichten.
Doch letztlich seien Führungsprinzipien ähnlich: «Die eigentliche Frage ist: Wie weit bin ich bereit, mich wirklich zu verpflichten und zu sagen, für eine gewisse Zeit bin ich bereit, der Organisation – ob das eine militärische oder eine privatwirtschaftliche ist – meine Leistung zur Verfügung zu stellen und das mit Loyalität, Engagement und eigenverantwortlich zu tun?»
Am Wochenende gibt es Leute, die Rekrutinnen und Rekruten im Zug oder auf der Strasse danken dafür, dass sie Dienst tun. Ich finde das ein wunderbares Zeichen.
Dass das Ansehen der Armee seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs zunimmt, hört Thomas Süssli immer wieder von Rekrutinnen und Rekruten: «Am Wochenende gibt es Leute, die ihnen im Zug oder auf der Strasse danken dafür, dass sie Dienst tun. Ich finde das ein wunderbares Zeichen.»