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Aufspringen oder nicht? Und plötzlich kam das Coronavirus

Biotech-Firmen sind Innovations-Motoren für neue Medikamente. Doch neben dem Gespür muss auch das Timing stimmen.

Ein Medikament gegen das Coronavirus finden: Das ist das Ziel von Christoph Esslinger. Er ist Gründer des Biotech-Unternehmens Memo Therapeutics mit zehn Mitarbeitenden in Zürich.

Gehört hatte er vom Coronavirus erstmals im Januar in den Nachrichten. Es erinnerte ihn an den Ausbruch des Sars-Virus 2002. «Ich dachte, das geht so aus wie damals. Wir sollten es liegen lassen. Für eine kleine Biotech-Firma ist es nicht lukrativ, da ein Risiko einzugehen – und nach sechs Monaten ist der Hype vorbei.»

Herausforderung Coronavirus

Inzwischen hat das neue Virus seinen Weg rund um den Erdball gefunden. Esslinger und sein Team suchen nun nach Antikörpern im Blut genesener Corona-Patienten. Möglich ist das, weil Esslinger auf bisherige Entwicklungen zurückgreifen kann und weil ein anderes grosses Projekt gerade vom Tisch ist. Deshalb wurden Kapazitäten frei.

Dass gerade Biotech-Firmen flexibel sein können, hat damit zu tun, dass sie auf Innovationen getrimmt sind. Ihr Kerngeschäft seien Forschung und Entwicklung, sagt Michael Altorfer, Chef des Branchenverbands Swiss Biotech Association: «Wenn neue Krankheitsbilder und medizinische Bedürfnisse entstehen, sind sie es sich gewohnt, diese schnell und zielorientiert anzugehen.»

Forscherin in einem Labor
Legende: Durch das Coronavirus sind die Schweizer Biotech-Unternehmen besonders gefordert: Zum einen suchen sie nach neuen Medikamenten oder Impfstoffen. Zum anderen liegen ihre bisherigen Entwicklungen auf Eis. Keystone

Doch das hat auch eine Kehrseite: Die Unternehmen sind klein und knapp kapitalisiert. In den letzten Jahren haben Kapitalgeber zwar jährlich rund 1.5 Milliarden Franken in Schweizer Biotech-Unternehmen investiert. Doch das Geld muss jeweils für spezifische Entwicklungsschritte ausreichen, im Durchschnitt für 18 Monate.

Projekte liegen auf Eis

Unternehmen müssen sich darum für die eine oder andere Entwicklung entscheiden. Selten haben Biotech-Unternehmen zufällig freie Kapazitäten für das Coronavirus wie etwa Memo Therapeutics. Bei vielen, die nicht umschwenken können, liegen dann einfach andere Entwicklungen auf Eis.

Das habe mit den klinischen Studien zu tun, die momentan ausgesetzt würden, sagt Altorfer: «Spitäler haben weltweit die Prioritäten auf die Bekämpfung der Pandemie-Effekte ausgerichtet.» Deswegen sei es nahezu unmöglich geworden, neue klinische Studien zu starten.

Fehlende Grundlagen – zögerliche Investoren

Das heisst: Den Unternehmen fehlen Erkenntnisse, auf deren Grundlage sie weiterarbeiten können, da zurzeit keine Experimente durchgeführt werden. Das hat zur Folge, dass Investoren zuwarten. Denn in der Branche sprechen Investoren Gelder jeweils nach erreichten Meilensteinen.

Roger Meier hat zahlreiche Biotech-Unternehmen mit aufgebaut. Er sagt, Investoren wollten eine Firma nicht einfach fünf Jahre durchfinanzieren: «Sie wollen sehen, ob die Risiken abnehmen. Sie brauchen Zwischenziele.» Das sei aber derzeit erschwert. Das Geld der Firmen reiche nicht aus, um diese Ziele zu erreichen.

Kaum neues Kapital

Das Geld schwindet dahin und neues Kapital aufzutreiben, sei ohne Ergebnisse schwierig. Die Kapitalmärkte bieten derzeit kaum Alternativen. Beim Bund anzuklopfen, ist für viele nicht möglich. Denn für Sofortkredite müssten sie vorweisen, dass sie in den letzten Jahren Umsätze generiert haben.

Weil sie aber Forschungs- und Entwicklungsunternehmen sind, haben sie keine Erträge erzielt. Der Branchenverband will darum das Gespräch mit den Behörden suchen. Unternehmer wie Esslinger hoffen unterdessen auf das Wohlwollen ihrer Investoren und auf neue Partnerschaften.

«Echo der Zeit» 21.04.2020, 18:00 Uhr

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