Die Brauerei Dr. Gabs aus dem Kanton Waadt spürt, dass jedes Jahr weniger Bier getrunken wird. «Seit drei Jahren wachsen wir nicht mehr», sagt Reto Engler, der die Brauerei zusammen mit Freunden vor fast 25 Jahren gründete.
Eigentlich hatte sich die Brauerei Dr. Gabs auf Craft-Biere spezialisiert, gerade in der Romandie war das ein vielversprechendes Geschäftsmodell: Die Romands trinken mehr Craft-Bier als die Deutschschweizer. Aber selbst in der Westschweiz scheint dieser Trend vorbei zu sein: «Unsere Craft-Biere verkaufen sich nicht mehr so gut wie auch schon. Das leichte und billigere Lager läuft momentan besser», sagt Engler.
Dr. Gabs ist kein Einzelfall
Laut dem Schweizer Brauereiverband ist die Nachfrage nach Craft-Bieren in den letzten Jahren merklich abgeflacht. Stattdessen gewinnen traditionelle Bierstile wie helles Lager wieder an Bedeutung und erleben ein Comeback.
Diesem Trend trotzt Lidia De Petris, sie ist Geschäftsführerin vom Bierwerk Zürich. «Ich bin davon überzeugt, dass sich der Konsument im Positiven verändert und bewusster Bier einkauft», sagt De Petris. Es gebe weiterhin Platz für neue und kreative Brauereien.
Für mich ist ein Lager auch ein Craft-Bier, denn unser Lagerbier wird nicht günstig oder schnell hergestellt.
Der Erfolg gibt ihr recht: Sie hat die Brauerei in Zürich im Jahr 2021 mitgegründet, also während der Corona-Pandemie und zu einer Zeit, in der der Bierboom in der Schweiz bereits abflachte.
Geholfen hat sicher auch der Standort der Brauerei mit eigenem Biergarten: Am Zürcher Hauptbahnhof und direkt neben dem Hauptquartier von Google Schweiz gibt es viele Leute, für die Geld auch beim Bier keine grosse Rolle spielt. Und doch sind die Lagerbiere und IPAs vom Bierwerk unterdessen auch in den Regalen von Coop zu finden und behaupten sich dort auch mit Preisen im oberen Segment.
De Petris gibt auch zu bedenken, dass man Craft-Biere und Lagerbiere nicht so leicht voneinander trennen könne: «Für mich ist ein Lager auch ein Craft-Bier, denn unser Lagerbier wird nicht günstig oder schnell hergestellt.»
Haben kleine und mittelgrosse Brauereien eine Zukunft?
Das Beispiel vom Bierwerk Zürich zeigt, dass es weiterhin Platz im Markt gibt für kleine bis mittelgrosse Brauereien.
Zwar wird insgesamt weniger Bier getrunken. Aber die Schweiz hat pro Einwohner immer noch am meisten Brauereien in ganz Europa: 137 Brauereien pro Million Einwohner. Nirgends sonst gibt es eine so hohe Brauereidichte. Nicht einmal in den Bierländern Deutschland und Tschechien.
Alkoholfreies Bier als Chance
Hingegen ist alkoholfreies Bier schweizweit im Trend und hat im letzten Braujahr um 13 Prozent zugenommen. Damit erreicht alkoholfreies Bier in der Schweiz einen Marktanteil von 7.5 Prozent. Davon profitieren grössere Brauereien, wie etwa die Brauerei Locher aus dem Appenzell oder die Brauerei Baar aus Zug. Denn um alkoholfreies Bier herzustellen und für die Ladenregale haltbar zu machen, braucht es grosse Anlagen und dementsprechend Investitionen. Grosse Brauereien können dieses Geld eher bereitstellen.
Für Brauereien wie Dr. Gabs oder das Bierwerk Zürich kann der Trend zu mehr alkoholfreiem Bier aber auch eine Chance sein. Denn hier sind kreative Rezepte gefragt, um das Bier gleich schmackhaft zu machen wie alkoholhaltiges. Sowohl Dr. Gabs als auch das Bierwerk Zürich tüfteln gerade an neuen Rezepturen für alkoholfreie Biere.