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Corona in Bangladesch Katastrophale Folgen für Näherinnen

Millionen von Textilarbeiterinnen leben nun noch prekärer – weil die Mode-Industrie ihre Verantwortung nicht wahrnimmt.

Es ist äusserste Not, die derzeit in Bangladesch Heerscharen von Textil-Arbeiterinnen trifft. Seit dem Corona-Ausbruch wurden rund zwei Millionen Beschäftigte freigestellt oder entlassen.

Familien könne Kinder kaum mehr ernähren

Eine lokale Reporterin fängt im Auftrag von «Kassensturz» schockierende Aussagen ein: «Der Vermieter verlangt Geld, und wir haben nicht mal Reis zu Hause. Wie soll ich meine Kinder ernähren?». Sie ergänzt: Ihr Arbeitgeber wollte sie mit rund 20 Dollar abspeisen. «Wie sollen wir damit überleben? Nicht nur das Coronavirus bringt uns um. Nein, wir werden verhungern».

Die meisten Modefirmen diktieren die Vertragsbedingungen, die Lieferanten müssen sie schlucken.
Autor: Elisabeth Schenk Expertin bei der NGO Public Eye

Modekonzern stornieren Aufträge

Die grossen Modefirmen reagierten auf die geschlossenen Kleiderläden, indem sie im grossen Umfang laufende Bestellungen bei Zulieferern stornierten.

Das Grundproblem liege im enormen Machtgefälle, sagt Elisabeth Schenk, Expertin bei der NGO Public Eye: «Die meisten Modefirmen diktieren die Vertragsbedingungen, die Lieferanten müssen sie schlucken. Das setzt sie in so eine Machtposition, dass sie jetzt in der Krise einfach die Aufträge stornieren können, ohne dass die Zulieferer gross etwas sagen können.»

Die Zulieferer blieben auf den Kosten für Arbeit und Material sitzen. Doch am härtesten trifft es die Arbeiterinnen. Staatliche Soforthilfe und Arbeitslosengelder sind bei weitem nicht existenzsichernd.

Unterschiedliche Zusagen der Konzerne

Wie unterschiedlich die Mode-Konzerne mit der Bezahlung von bestellter Ware umgehen, zeigt eine Aufstellung der unabhängigen Arbeitsrechts-Organisation WRC : H&M oder Zara beispielsweise geben dieses Versprechen ab. Gemäss WRC machen andere Konzerne wie C&A oder Bestseller (Only, Jack&Jones, Vero Moda u.a.) bis heute dazu keine verbindliche Zusage.

«Kassensturz» hat zwölf Modekonzerne und Schweizer Kleiderhändler angefragt, wie sie mit ihrer Verantwortung gegenüber Zulieferern und Arbeiterinnen umgehen. Fazit: Bestellte Ware wird zwar häufig übernommen. Doch was sie zur Sicherung der aktuellen Löhne vor Ort tun, dazu sagen Konzerne wie H&M, Inditex (Zara), C&A oder Gap im Grunde gar nichts. Der Schweizer Modekonzern Tally Weijl bleibt am intransparentesten: Er reagiert gar nicht auf die Fragen. Alle Stellungnahmen und eine Analyse dazu finden Sie hier:

Branchen-Initiativen reichen bei weitem nicht

Viele grosse Modekonzerne verweisen auf Branchen-Initiativen zum Schutz der Arbeiterinnen und Arbeiter. Doch das genüge bei weitem nicht, sagt Elisabeth Schenk von Public Eye. Jetzt brauche es entschiedene und klare Antworten, welche die Arbeitnehmerinnen vor Covid-19 und Armut schützen:

«Die Näherin, die jetzt noch auf ihren März-Lohn wartet und die deswegen bei Essens-Hilfslieferungen anstehen muss, wird von einer solchen Initiative nicht satt.» In den Firmenantworten an «Kassensturz» finde man kaum Verpflichtungen der Firmen, dass die Löhne in ihren Lieferketten von März bis im Sommer gezahlt würden.

Die wichtigsten Informationen zum Coronavirus:

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«Kassensturz», 05.05.2020, 21:05 Uhr

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