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Deutschland will seine Fachkräfte zurück
Aus Rendez-vous vom 16.11.2023. Bild: Keystone/MARTIN RUETSCHI
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Demografie als Standortfaktor Wettlauf gegen die Zeit: Europa will seine Fachkräfte zurück

Auch der EU fehlen Arbeitskräfte: Für Arbeitgebende in der Schweiz wird Personal zu rekrutieren darum noch schwieriger.

Die Schweizer Arbeitgebenden haben ein Problem: In den nächsten Jahren gehen viel mehr Personen in Rente, als junge Arbeitskräfte nachrücken. Diese Lücke lässt sich aktuell noch mit Fachkräften aus der Europäischen Union auffangen, die Zuwanderung aus der EU ist so gross wie seit 15 Jahren nicht mehr. Doch wie lange noch?

Die demografische Lücke ist in den meisten europäischen Ländern noch grösser als in der Schweiz. «Deshalb wird es immer schwieriger werden, die Leute aus der EU noch in die Schweiz zu holen», sagt Manuel Buchmann vom Forschungsbüro Demografik.

Europa kämpft um Fachkräfte

Noch ist die Schweiz ein Zuwanderungsmagnet: Im letzten Jahr sind insgesamt 125'000 Personen aus dem EU-Efta-Raum eingewandert. Am meisten aus Deutschland, aber gerade da schrumpft die Bevölkerung im Erwerbsalter laut UNO-Prognose besonders stark: –13 Prozent bis 2043.

Das werde sich zwangsläufig auf die Abwanderung auswirken, sagt Ökonom Buchmann: «Es müssten sich also anteilsmässig mehr Deutsche entscheiden, in die Schweiz zu kommen als bisher, um schon nur das Niveau zu halten.» Das gelte zum Beispiel auch für Italien, Portugal und Spanien. Die Länder bräuchten die Fachkräfte selber und würden viel dafür tun, dass sie im Land bleiben oder zurückkommen.

Ein mann und eine Frau arbeiten in einem Labor.
Legende: Die demografische Lücke ist in den meisten europäischen Ländern noch grösser als in der Schweiz. Sie brauchen Fachkräfte, etwa in der Pflege, selbst. Getty Images / Maskot

Die portugiesische Regierung setze zum Beispiel steuerliche Anreize, um Fachkräfte zurückzuholen. Das wirke, erklärt Buchmann: «Viele junge portugiesische Familien gehen wieder zurück nach Portugal.» Auch bei der deutschen Zuwanderung zeige sich, dass die Schweiz nicht mehr gleich attraktiv sei wie noch vor ein paar Jahren. Die deutsche Kaufkraft hat in den letzten Jahren zur Schweiz aufgeholt, es ist also für Fachkräfte finanziell wieder attraktiver geworden, in Deutschland zu bleiben.

Drei Strategien: inländisches Potenzial, Produktivität und Fachkräfte aus Drittstaaten

In der Schweiz ist die Situation weit weniger dramatisch als in vielen anderen europäischen Ländern. Und trotzdem: In den nächsten 20 Jahren werden in der Schweiz über 240'000 Personen mehr in Rente gehen, als 20-Jährige in den Arbeitsmarkt eintreten.

Wenn zusätzlich weniger Personal aus der EU einwandert, ist das für die Arbeitgebenden in der Schweiz ein riesiges Problem. Was also tun?

In den nächsten Jahren wird die Schweizer Wirtschaft wohl wegen fehlender Arbeitskräfte schrumpfen.
Autor: Manuel Buchmann Arbeitsmarktökonom, spezialisiert auf Demografie

Sie hätten drei Möglichkeiten, erklärt Buchmann: die Erwerbstätigen motivieren, mehr und länger zu arbeiten, die Arbeit effizienter nutzen sowie Personal ausserhalb der EU rekrutieren. Aber auch wenn Arbeitgebende alle drei Strategien nutzten, werde das kaum reichen: «In den nächsten Jahren wird die Schweizer Wirtschaft wohl wegen fehlender Arbeitskräfte schrumpfen.»

Im Inland sei das Potenzial begrenzt, weil mit der Knappheit die Arbeitnehmenden neben höheren Löhnen auch eher kürzere Arbeitszeiten und Frühpensionierungen aushandeln könnten. Damit sinkt das Arbeitsvolumen, statt zu steigen. Bei der Produktivität sehe er mittel- bis langfristig Potenzial, das sei aber sehr schwer einzuschätzen.

Bleibt die Strategie, in Drittstaaten zu rekrutieren. Auf sie setzen gerade viele europäische Länder: Sie senken die Einwanderungshürden und gehen aktiv auf Anwerbetour. Denn anders als in Europa wächst die Bevölkerung im Erwerbsalter in Südasien und Afrika weiter. In der Schweiz ist diese Zuwanderung aber kontingentiert. Das ist politisch so gewollt, daran wird sich in den nächsten Jahren trotz Druck aus der Wirtschaft kaum etwas ändern.

Arbeitgeberpräsident zur Rekrutierung in Drittstaaten

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Es dürfe keine Denkverbote geben, sagt Severin Moser, der Präsident des Schweizer Arbeitgeberverbands: «Wir müssen in aller Offenheit diskutieren, wo wir geeignete Arbeitskräfte finden oder auch solche ausbilden können.» Da es Länder gebe, die eine andere demografische Struktur haben als Europa und die Schweiz, müsse man auch darüber reden, dort zu rekrutieren.

Der Bevölkerung müsse klar sein, dass sowohl die Wirtschaft wie auch die öffentliche Hand dringend Arbeitskräfte brauche. Dazu müsse man das inländische Potenzial nutzen, die Produktivität steigern und Personal im Ausland rekrutieren, sagt Moser: «Sonst werden die Unternehmen einen Teil der Produktion auslagern und die Schweizer Wirtschaft schrumpfen.»

Rendez-vous, 16.11.2023, 12:30 Uhr

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