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EGMR zur Klimapolitik Klima-Urteil: Doping für nachhaltige Investitionen?

Die Kritik des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat viele in seiner Klarheit überrascht. Auch auf dem Schweizer Finanzplatz.

Der Schweizer Finanzplatz hat einen immensen Klimaschutz-Hebel in der Hand: Gelder, die aus der Schweiz verwaltet werden, verursachen weltweit bis zu 40 Mal mehr CO₂, als die Schweiz innerhalb der Landesgrenzen ausstösst.

Diesen Hebel müsse die Schweiz nun nutzen, ist Patrick Hofstetter, Leiter Klima und Energie beim WWF Schweiz überzeugt: «Es braucht endlich klare Absenkpfade, Ziele und Massnahmen – dank diesem Urteil wird das jetzt sehr attraktiv werden, weil entsprechende Märkte aufgehen.»

Entwicklung dürfte ähnlich weitergehen

Bisher beschränkt sich die Regulierung hauptsächlich auf freiwillige Massnahmen, Unternehmen können auch ihre Klimafreundlichkeit messen. Ganz grosse Unternehmen müssen seit diesem Jahr über ihre Nachhaltigkeit berichten. Wie streng das anschliessend kontrolliert wird, ist allerdings offen – und die möglichen Strafen scheinen zahnlos.

Die Branche selbst will tendenziell weiter auf Freiwilligkeit setzen. Auch Peter Zollinger. Er ist Chefanalyst der Globalance Bank in Zürich. Diese ist eine jener Vermögensverwalterinnen, die voll auf Nachhaltigkeit setzen und ihren Kundinnen und Kunden beispielsweise zu jedem Zeitpunkt den Klimafussabdruck ihrer Portfolios aufzeigen können.

«Hinter den Schlagzeilen ist global schon sehr viel Kapital in Richtung kohlenstoffarme Wirtschaft bewegt worden», stellt er fest. Und das Urteil des EGMR werde die Entwicklung sicher nicht bremsen. «Es ist ein Zeichen, dass uns dieser Kurs noch eine Weile weiter beschäftigen wird.»

Viele Unternehmen warten wohl noch ab

Auch Fabio Babey glaubt, dass das Urteil Signalwirkung hat. Er doziert an einer Fachhochschule und hat sich als Anwalt auf die Beratung von Unternehmen im Thema ESG, also betriebliche Standards für Nachhaltigkeit spezialisiert. «Das Urteil gibt allen Befürwortern von ESG Aufwind», sagt er.

Von Seiten der Unternehmen werde wohl tendenziell zugewartet, was sich politisch tut. «Einzelne Unternehmen werden das Urteil allerdings zum Anlass nehmen, etwas mehr für ESG zu tun.»

Es bleibt also abzuwarten, wie schnell schärfere Regeln für mehr Klimafreundlichkeit auf dem Finanzplatz sorgen. Einig sind sich Beobachterinnen und Beobachter, dass mit dem Urteil aus Strassburg noch mehr Investorinnen und Anlegern klar wird, dass es kein Zurück mehr gibt in eine Welt, in der sich Finanzplätze um den Klimaschutz foutierten.

Rendez-vous, 10.4.2024, 12:20 Uhr

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