Zum Inhalt springen

Erstmals seit 2021 negativ Inflation fällt im Mai auf -0.1 Prozent – was bedeutet das?

Die Inflation in der Schweiz sinkt seit Monaten und ist im Mai in den negativen Bereich gefallen. Das Gespenst der Deflation geht deshalb wieder um. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist passiert? Die Inflation in der Schweiz ist im Mai in den negativen Bereich gefallen. Man spricht von Deflation, dem Gegenteil der Inflation, einem Rückgang des Preisniveaus von Gütern und Dienstleistungen. Die Teuerung gegenüber dem Vorjahresmonat betrug laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) -0.1 Prozent.

Ist die Deflation überraschend? Nein. Die meisten von der Nachrichtenagentur AWP befragten Expertinnen und Experten hatten damit gerechnet. Denn die Inflation in der Schweiz ist seit Monaten auf dem Rückzug. Seit dem letzten September liegt sie unter 1 Prozent. In der Vergangenheit ist es in der Schweiz mehrfach zu einer Deflation gekommen. Die Entwicklung der Konsumentenpreise war zuletzt zwischen Februar 2020 und März 2021 während der Corona-Pandemie negativ.

Wie wirkt sich die Deflation auf die Kaufkraft aus? Grundsätzlich positiv. Eine Deflation senkt die Preise der konsumierten Produkte und Dienstleistungen, wodurch die reale Kaufkraft der Konsumenten steigt.

Deflation setzt Nationalbank unter Druck

Box aufklappen Box zuklappen

Aufgrund der Deflation in der Schweiz ist eine weitere Leitzinssenkung durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) nochmals wahrscheinlicher geworden. Eine rasche Rückkehr zu deutlich höheren Inflationsraten ist derzeit nicht in Sicht, was für die Schweizerische Nationalbank ein Problem ist. Denn Währungshüter scheuen die Deflation bekanntlich wie der Teufel das Weihwasser, da Preisrückgänge die Gefahr einer sinkenden Nachfrage mit sich bringen.

UBS-Ökonom Alessandro Bee meinte zwar, dass die SNB einem einzelnen «negativen» Monat nicht allzu starke Beachtung schenken dürfe. Seit dem März habe sich aber der mittelfristige Inflationsausblick verschlechtert – weil sich der Franken aufgewertet und der Konjunkturausblick sich eingetrübt habe. Deshalb geht auch er von einer Senkung des Leitzinses durch die Nationalbank auf 0.0 Prozent aus.

SNB-Präsident Martin Schlegel habe zwar jüngst betont, man werde nicht unbedingt gleich auf jeden negativen Monatswert reagieren, so Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch. Zusammen mit dem aufgrund der US-Zollpolitik negativeren Wachstumsausblick sei aber dennoch damit zu rechnen. Mit Negativzinsen rechnen die Ökonomen vorerst aber eher nicht: «Ein negativer Leitzins ist für Zeiten extremer Verwerfungen gedacht. Eine leicht negative Inflation bei gleichzeitig moderatem Wirtschaftswachstum und recht stabilem Euro-Franken-Wechselkurs erachten wir indes nicht als extreme Verwerfung», sagte ZKB-Experte David Marmet.

Ist das gut für die Wirtschaft? Nein. Wenn die Preise sinken, besteht die Gefahr, dass auch die Nachfrage sinkt. Denn sinkende Preise können die Konsumenten dazu veranlassen, ihre Ausgaben einzuschränken – in der Hoffnung, künftig von noch niedrigeren Preisen zu profitieren. Dies führt tendenziell dazu, dass aus einer deflationären Situation eine rezessive Situation entsteht. Daraus wiederum kann ein Rückgang der Beschäftigung, der Löhne und der Kaufkraft entstehen.

Gibt es auch Produkte, die teurer geworden sind? Der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) ist im Mai gegenüber dem Vormonat um 0.1 Prozent auf 107.6 Punkte gestiegen. Der Anstieg sei auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, unter anderem auf die höheren Wohnungsmieten, so das BFS. Auch gestiegen seien die Preise für Fruchtgemüse – Gemüse, das oberirdisch aus Blüten wächst – und für Steinobst. Die Preise im Luftverkehr sowie jene für Heizöl seien hingegen gesunken.

Frau steht vor Gemüsetheke im Supermarkt
Legende: Fruchtgemüse und Steinobst sind im Mai etwas teurer geworden. KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Haben wir nun Grund zur Sorge? Ökonomen sehen keinen Grund dafür. Sie verweisen darauf, dass die «deflationsverursachenden Güter» derzeit grösstenteils importiert werden. Die Teuerung könne deshalb zwar negativ werden, dies führe aber zu keiner besorgniserregenden Situation, meinte kürzlich etwa BAK-Economics-Ökonom Claude Maurer. Auch die Experten der ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF) verweisen auf die Rolle der Importgüter: «Die Binneninflation bleibt positiv, und solange dies der Fall ist, wird es keine breit abgestützte Deflation geben.»

Was ist mit den Mieten? In der Schweiz sind die Mieten seit 2008 an den Referenzzinssatz gekoppelt, der vierteljährlich vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) veröffentlicht wird. Dieser Zinssatz wird auf der Basis der ausstehenden Hypothekarforderungen der Schweizer Banken berechnet. Eine Senkung des Leitzinses führt zu einem Rückgang der Hypothekarzinsen und ebnet theoretisch den Weg für einen Rückgang der Mieten. Dieses System leidet jedoch an einer grossen Trägheit, da sich der Referenzzinssatz nur sehr langsam ändert.

Was ist mit den Ersparnissen? Ein tiefer oder gar negativer Leitzins führt auch zu einer sehr geringen Verzinsung von Bankguthaben. Das ist gewollt. Denn Privatpersonen sollen investieren und konsumieren, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Auswirkungen auf die Vermögen sind derweil vielfältig.

Inflation fällt in der Eurozone unter zwei Prozent

Box aufklappen Box zuklappen

In der Eurozone ist die Inflation im Mai unter zwei Prozent gefallen. Die Inflationsrate sei auf 1.9 Prozent gesunken, teilte das Statistikamt Eurostat in Luxemburg auf Basis einer ersten Schätzung mit. Im April hatte die Rate noch bei 2.2 Prozent gelegen. Der Rückgang war stärker als von Volkswirten erwartet. Diese hatten mit 2.0 Prozent Inflation gerechnet.

Die Inflation in der Eurozone ist damit auf den niedrigsten Stand seit September 2024 gefallen. Sie liegt jetzt unter dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Zuletzt hatte die Notenbank die Leitzinsen Mitte April um 0.25 Prozentpunkte gesenkt. An diesem Donnerstag wird eine weitere Leitzinssenkung erwartet. Im Vergleich zum Vormonat stagnierten die Verbraucherpreise. Das war so von Volkswirten erwartet worden.

SRF 4 News, 03.06.2025, 09:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel