Der Pharmakonzern Novartis soll in den USA, Griechenland und Vietnam Ärzte zum Medikamentenverkauf ermutigt und die besten Kunden zu Anlässen in Luxushotels eingeladen haben. Die Fälle liegen zwar Jahre zurück und sind juristisch vom Tisch, weil Novartis Bussen von insgesamt rund einer Milliarde Dollar bezahlt hat. Auch wurden die internen Kontrollen inzwischen verschärft. Dennoch stellt sich die Frage: Wie weit dürfen Pharma-Angestellte bei der Beratung von Ärzten in der Schweiz eigentlich gehen?
Seit Anfang Jahr gilt die überarbeitete Verordnung über Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (VITH). Demnach sind bei verschreibungspflichtigen Medikamenten geldwerte Vorteile nicht zulässig, wenn sie die Ärzte bei der Wahl der Behandlung beeinflussen könnten. Ärzte und Pharmafirmen haben sich zudem freiwillige Verhaltensregeln auferlegt.
Gespräche müssen Fachbezug haben
Gemeinsame Mittagessen sind zum Beispiel erlaubt, sofern fachliche Gespräche geführt werden. Gemäss dem Pharmaverband Scienceindustries soll ein Essen ab nächstem Jahr aber maximal 100 Franken kosten dürfen. Der Gesetzgeber sieht dagegen im fachlichen Rahmen Möglichkeiten für Einladungen zu üppigeren Essen vor – allerdings nur mit Vertrag.
Erlaubt sind weiter Beiträge an die Fortbildung der Ärzte. Ein Drittel muss der Arzt selber tragen, zwei Drittel dürfen Pharmafirmen übernehmen. Anlässe von Einzelfirmen dürfen nicht gesponsert werden. Es muss sich um Kongresse handeln, die von mehreren Unternehmen organisiert werden.
Pharmagelder ersetzen Umsatzausfälle
Aus Sicht der Ärzte ist die Kostenbeteiligung an ihren Fortbildungen relevant. Gesetzlich seien sie verpflichtet, an Fortbildungen teilzunehmen. Der Kostenbeitrag der Pharmaindustrie sei für manch einen Hausarzt eine Kompensation des Umsatzausfalls, wie die Ärztevereinigung FMH auf Anfrage von SRF mitteilte. Allerdings gibt es auch Ärzte, die von sich aus verzichten.
Die Akademie Menschenmedizin, eine Organisation, der zahlreiche Ärztinnen und Ärzte angehören, kritisiert die Kostenbeteiligung scharf. Sie sei ein Nährboden für Sympathien, Abhängigkeiten und Gegenleistungen.
Publikation der Daten unübersichtlich
Scienceindustries hingegen will die Vorwürfe von Mauscheleien vom Tisch haben und macht Kooperationszahlungen darum transparent: 2018 seien rund 180 Millionen Franken an Ärzte und Spitäler geflossen. Allerdings kollidiert das Anliegen der Transparenz mit dem Datenschutz.
Die Empfänger können die Bekanntgabe verweigern. Der Verband rät seinen Mitgliedern deshalb, auf Zahlungen zu verzichten, wenn ein Arzt oder ein Spital nicht in die Publikation der entsprechenden Information einwilligt.
Die Transparenz sei ein richtiger Schritt, sagt auch die Patientenorganisation SPO. Verbesserungspotenzial würde es allerdings bei der Darstellung der Daten geben. Sie sei unübersichtlich. Man müsse sich die Informationen über mehrere Webseiten zusammensuchen. Ein Journalistennetzwerk hat sich des Problems angenommen und bereitet die Daten auf pharmagelder.ch auf.
Scienceindustries sieht das dagegen nicht als seine Aufgabe. Man habe die Pharmafirmen und deren Publikationen im Blick, nicht aber die Ärzte oder Spitäler. Zudem sei die leserfreundliche Aufbereitung eine Frage der Mittel.