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Fairtrade rentiert nicht immer Zu viele Produzenten – zu wenig Käufer

Fairer Handel geniesst in der Schweiz grosse Unterstützung – doch die reicht nicht für alle Bauern der Welt.

Nadine Arnold war in Peru, Ecuador, Kenia und der Elfenbeinküste. Sie hat dort Bauern besucht. «Extra Money» würden diese die Fairtrade-Prämie nennen, sagt die Soziologin, die an der Universität Luzern arbeitet.

Wichtig sei, dass die Produzenten nicht bloss den Mindestpreis für ihre Produkte erhielten. «Sie entscheiden eigenständig, wie sie die Prämie vor Ort investieren wollen.» Darin liege die stärkste Wirkung der Fairtrade-Prämie, betont Arnold, die den fairen Handel zu ihrem Spezialgebiet gemacht hat.

Bessere Infrastruktur und Schulen

Für unsere Ohren tönen dabei die insgesamt 200 Millionen Franken an Fairtrade-Prämie, die weltweit generiert wird, nicht nach viel. Doch für die Bauern in Afrika oder Südamerika sei das sehr viel Geld, sagt Arnold.

Dank dem Zustupf könnten die Bauern – oftmals Bauernkollektive – unternehmerischer denken und in Lagerhallen oder Verarbeitungsstätten investieren. «Andere investieren eher in die Bildung und bauen Schulen oder bezahlen Stipendien.»

Das System Fairtrade

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Insgesamt werden weltweit derzeit rund 200 Millionen Franken Fairtrade-Prämien an Produzenten ausbezahlt. Die Schweiz steuert davon 11 Millionen Franken bei. In keinem Land werden pro Kopf mehr Fairtrade-Produkte verkauft als hierzulande.

Die nach Fairtrade-Richtlinien produzierenden Bauern erhalten für viele Produkte, etwa für Kaffee, neben der Fairtrade-Prämie auch einen Mindestpreis – aber eben nur für jene Menge, für welche sie Abnehmer finden, die die Ware unter dem Fairtrade-Label an die Endkunden verkaufen. Den Rest der Produktion müssen die Bauern wohl oder übel zu Weltmarktpreisen verkaufen, der etwa beim Kaffee deutlich unter dem Fairtrade-Mindestpreis liegt.

Eine Schule haben zum Beispiel Bauern in Tansania gebaut. Der Kaffeehändler Thomas Quinche hat sie kürzlich besucht. Quinche arbeitet bei der Firma Blaser Trading und wollte mit eigenen Augen sehen, wohin die Prämien fliessen. Für ein Kilogramm fair produzierten Kaffee erhalten die Kaffeebauern 45 Rappen zusätzlich als Prämie.

Die Schule in einem abgelegenen Dorf sei auf Initiative der Kaffee-Kooperative entstanden, erzählt Thomas Quinche. «Mittlerweile profitieren rund 140 Schüler von einer guten Infrastruktur und genügend Lehrern.» Weil die Kooperative die Schule gebaut hat, zahlt der Staat Tansania nun die Lehrerlöhne.

Zu wenig Kunden

Das Prämiensystem im fairen Handel hat für die Produzenten aber einen Haken: Wer fairtrade-zertifiziert ist, muss alle seine Produkte fair produzieren. Das garantiert aber nicht, dass die Bauern die gesamte faire Ernte auch als solche verkaufen können. Denn die Endverkäufer – zum Beispiel Detailhändler – müssen bereit sein, Mindestpreis und Prämie zu zahlen. Das sei nicht immer der Fall, weiss Soziologin Arnold.

Ein gutes Beispiel ist Kaffee, der den grössten Anteil an Prämien im Fairtrade-System generiert. Hier würden die Produzenten insgesamt 93 Millionen Franken an Fairtrade-Prämie erhalten. Allerdings könnten sie bloss 34 Prozent ihrer Ernte zu den fairen Konditionen verkaufen, für den Rest erhalten sie bloss den Weltmarktpreis. «Zwei Drittel der Prämie gehen so quasi verloren», sagt Arnold.

Die Krux mit dem Mindestpreis

Die Gründe, wieso es nicht genügend Käufer für die fair produzierten Produkte gibt, sind von Produkt zu Produkt unterschiedlich. Im Fall des Kaffees glaubt Händler Quinche nicht, dass es an der Prämie liegt, welche die Kunden zusätzlich zahlen müssten – sondern am Mindestpreis. Dieser sei im Fall des fairen Kaffees derzeit zu hoch. Der Fairtrade-Mindestpreis liegt pro Kilogramm 85 Rappen über jenem von konventionell produziertem Kaffee. Das schrecke Käufer wie Detailhändler oder Kaffeeketten ab, sagt Quinche.

Es werden also zu viele Produkte für zu wenige Abnehmer fair produziert. Wenn aber der Fairtrade-Anteil zu stark sinkt, beginnen die Bauern zu rechnen, ob sich die Zertifizierung finanziell überhaupt noch lohnt, oder ob sie ihre Felder nicht besser wieder konventionell bestellen sollten. Geschehen ist das zum Beispiel bereits bei Ananasproduzenten in Ghana.

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