Anke Baldauf tut es schon fast ihr ganzes Berufsleben lang: Leute einkleiden. Seit gut einem Jahr arbeitet die 58-Jährige bei Modeanbieterin PKZ. Sechs Monate hatte es gedauert, bis sie ihre «Traumstelle» gefunden hatte. «Ich bin davon ausgegangen, ich müsste länger suchen», sagt sie im Rückblick.
Nicht mehr «zu alt»
Die Chancen von älteren Mitarbeitenden seien auf jeden Fall gut, betont Baldauf. «Mittlerweile schätzen es Kundinnen und Kunden, wenn etwa gleichaltrige Verkäuferinnen und Verkäufer da sind.» Bei ihrer Arbeitgeberin PKZ ist das Alter kein Nachteil.
Auch andere Firmen denken um. Waren ihnen früher 50-Jährige schon zu alt, liegt die kritische Grenze heute bei 58 bis 60 Jahren. Das zeigt etwa eine Firmenumfrage von Outplacement-Berater Rundstedt und HR Today .
Thomas Bösch ist langjähriger Personalchef von Grosskonzernen wie Schindler und Syngenta. Heute arbeitet er bei Novartis Schweiz. Die neue Altersfreundlichkeit habe mit dem Fachkräftemangel zu tun. Aber nicht nur: «Vor einigen Jahren gab es fast einen Jugendwahn. Da musste man irgendwo um die 40 sein, um grosse Projekte und Verantwortung zu kriegen. Inzwischen hat sich das wieder kalibriert.»
Unternehmen schätzten nun die Erfahrung von älteren Mitarbeitenden wieder – dies auch, weil sich Ältere nicht mehr unbedingt beweisen wollten, sondern auf die Aufgabe fokussierten, so Bösch.
Ü55 in der Überzahl, auch wegen Kompromissen
Bei Novartis Schweiz arbeiteten heute mehr über 55- als unter 35-Jährige, so der Personalchef. Da habe man oft ein falsches Bild.
Einer von ihnen ist Peter Huber. Er hat in seinen Fünfzigern gleich mehrmals den Job gewechselt. Zum letzten Mal mit 58. Seither ist er Public-Affairs-Chef bei einem Schweizer Ableger des Pharmariesen.
Man müsse auch Kompromisse eingehen, sagt Huber. «Man ist sich ja in seiner beruflichen Karriere gewohnt, dass man in jungen Jahren, wenn man eine Stelle wechselt, oft einen Sprung machen kann. Das ist in höherem Alter nicht mehr möglich.»
Alt ist nicht gleich teuer
Alt sei deshalb nicht unbedingt gleich teuer, sagt Personalchef Bösch. «Ältere Mitarbeitende sind in den Sozialabgaben teurer, aber da gibt es meistens auch eine kürzere Einarbeitungszeit und eine breitere Einsatzmöglichkeit», so Bösch. Mit dieser Einsatzmöglichkeit seien diese Mehrkosten im Sozialbereich eigentlich ausgeglichen.
Wir haben die Familienplanung abgeschlossen, sind flexibel und haben Erfahrung.
PKZ-Modeberaterin Anke Baldauf sieht noch mehr Vorteile von älteren Mitarbeitenden: «Wir haben die Familienplanung abgeschlossen, sind flexibel und haben Erfahrung. Davon können auch junge Kolleginnen und Kollegen profitieren.»
Pragmatisch, aufgabenorientiert, nicht mehr zu teuer: Die Eigenschaften von älteren Arbeitnehmenden sind wieder gefragt. Solange der Fachkräftemangel anhält, dürfte das so bleiben.