Die Aktien von Nvidia und Microsoft erreichen derzeit historische Höchstwerte. Beide US-Techfirmen sind aktuell über vier Billionen Dollar wert – das ist mehr als das Zweieinhalbfache aller Firmen im Schweizer Leitindex SMI zusammen, wie der «Tagesanzeiger» ausgerechnet hat.
Gleichzeitig erhalten KI-Start-ups wie Open AI oder Anthropic schwindelerregende Milliardenbewertungen – ohne klares Geschäftsmodell. Nun warnen namhafte Finanzanalysten und Börsenexpertinnen vor einer möglichen Blase, so etwa der Chefstratege der Bank of America, Michael Hartnett.
Sogar der KI-Guru warnt
Gegenüber «The Verge» wählt auch Sam Altman bemerkenswerte Worte: «Sind wir in einer Phase, in der Investoren überbegeistert von KI sind?», fragte der CEO von Open AI. Und gab die Antwort gleich selbst. «Ja, wir stecken in einer Blase.»
In dem Interview zieht Altman eine Parallele zur Dotcom-Euphorie der 1990er-Jahre. Damals wurden Unternehmen im Internet (Dotcoms), die zwar haufenweise Klicks generierten, aber kaum Umsätze machten, massiv überbewertet. Die Blase platzte, der Crash löschte eine Marktkapitalisierung von fünf Billionen Dollar aus.
Aber warum kommen die Warnrufe gerade jetzt? Und erleben wir nun, wie sich die Dotcom-Tragödie wiederholt? «Es gibt gewisse Parallelen, aber auch Unterschiede zu damals», sagt die Finanzexpertin Luba Schönig.
Ein wesentlicher Unterschied sei die Geldpolitik der US-Notenbank Fed: Das makroökonomische Umfeld sei heute anders ausgelegt als damals.
Kaufen die Menschen diese neuen Produkte tatsächlich und spiegelt sich das enorme Potenzial in höheren Gewinnen wider?
Eine KI-Blase könnte sich aber durchaus bilden, so die Expertin. «Wenn wir davon sprechen, wie mächtig KI ist, geht es meist um Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen für Firmen, vor allem im Personalbereich.» Diese Debatte fokussiere allerdings auf die Angebots- und nicht auf die Nachfrageseite.
Die «Frage aller Fragen» beim KI-Boom wird laut Schönig sein: «Kaufen die Menschen diese neuen Produkte tatsächlich und spiegelt sich das enorme Potenzial in höheren Gewinnen wider?» Darauf gebe es derzeit noch keine klare Antwort.
Die Ökonomin relativiert allerdings: Nur weil hochbewertete Unternehmen (noch) keine Gewinne abwerfen, sind sie nicht zum Scheitern verdammt. Das beste Beispiel: Amazon, dessen Gründer Jeff Bezos heute zu den reichsten Menschen der Welt gehört.
«Fomo» heizt spekulative Euphorie an
Das Unternehmen, einstiger Onlineshop für Bücher, ist seit seiner Gründung 1994 zum grössten Onlinehändler der Welt aufgestiegen. «Amazon brauchte damals sieben Jahre, bis es erste Gewinne geschrieben hat», erinnert Schönig.
Ein weiterer Grund für die derzeitige Goldgräberstimmung: Die Investoren spekulieren darauf, dass die «eigene» Firma Standards setzt oder sich gar zum Marktführer aufschwingt. «Die hohen Bewertungen der Techfirmen und Start-ups werden stark von Fantasien beflügelt», erklärt Schönig. «Zudem nehmen die Anwendungsbereiche von KI derzeit exponentiell zu. Es gibt kaum eine Industrie, in der sie nicht verwendet wird.»
Der Glaube daran, gerade in das nächste Amazon zu investieren, birgt Gefahren: «Wir sehen derzeit eine typische Lotteriementalität», sagt die Expertin. «Anleger überschätzen systematisch die Chancen, einen grossen Treffer zu landen.» Viele seien getrieben von Hypes und der «Fear of Missing Out», kurz Fomo. Also der Angst, nicht dabei zu sein. «Das ist der wichtigste Treiber für eine spekulative Euphorie», schliesst Schönig.