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Geldpolitik unter Druck Inflation macht Notenbanken Beine

Grosse Notenbanken standen diese Woche vor einer kniffligen Entscheidung: Wollen sie die Wirtschaft weiter stützen, weil sich Omikron ausbreitet und noch nicht absehbar ist, welche gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dies haben wird? Oder wollen sie auf die Inflation reagieren, die in den letzten Monaten deutlich gestiegen ist?

Sowohl die Virusmutation als auch die Inflation sind gefährlich. Sie erfordern aber komplett unterschiedliche geldpolitische Massnahmen. Ein Drosseln der Geldpolitik, beispielsweise mit einer Zinserhöhung, bekämpft die Inflation, würgt aber unter Umständen die wirtschaftliche Erholung ab. Ein Zuwarten hingegen schont die Konjunktur, lässt aber der Inflation freien Lauf.

Angelsachsen preschen vor...

Die beiden angelsächsischen Notenbanken FED und Bank of England sind offenbar zum Schluss gelangt, dass die Inflation momentan das grössere Problem darstellt. Das amerikanische FED drosselt die Geldpolitik und kündigt gleich mehrere Zinsschritte fürs nächste Jahr an. Und die Bank of England hat bereits jetzt überraschend ein erstes Mal an dieser Zinsschraube gedreht – als erste grosse westliche Notenbank seit Ausbruch der Pandemie.

FED und Bank of England sagen der Inflation den Kampf an: Die ist in den USA jüngst auf 6.8 Prozent geklettert, in Grossbritannien auf über 5 Prozent. Im Euroraum ist sie mit 4.9 Prozent ähnlich hoch, doch die Europäische Zentralbank EZB strafft ihre Geldpolitik erst zögerlich. Gewisse Wertpapierkäufe sollen Ende März 2022 auslaufen. Aber reicht das?

...die EZB zögert

Die Geschichte lehrt: Inflation ist unberechenbar. Sie kann rasch ausser Kontrolle geraten, wenn die Marktteilnehmer ihrer Zentralbank nicht mehr zutrauen, die Teuerung wirklich in Schach halten zu können.

Doch die Prognose der EZB für das kommende Jahr fördert das Vertrauen nicht gerade: Die Zentralbank erwartet 2022 eine Jahresteuerung von über 3 Prozent. Und selbst diese Prognose ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, wie EZB-Chefin Christine Lagarde selber einräumt. Das Zuwarten der EZB ist riskant.

SNB kann zuwarten

Und was tut die SNB? Sie belässt ihre Geldpolitik unverändert. Das kann – und muss – sie auch.

Die Inflation ist zwar auch hierzulande gestiegen, auf mittlerweile 1.5 Prozent. Doch damit liegt sie noch immer in einem angemessenen Rahmen.

Eveline Kobler

Wirtschaftsredaktorin

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Eveline Kobler ist seit 2007 bei Radio SRF tätig und leitet seit Dezember 2016 die Wirtschaftsredaktion.

Rendez-vous, 16.12.21, 12:30 Uhr

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