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Globale Wirtschaftsentwicklung Europa hinkt der US-Wirtschaft nach

US-Präsident Joe Biden subventioniert seine Wirtschaft. In Europa hingegen ist die Wirtschaft im Krebsgang.

Für viele werde sich 2023 wie eine Rezession anfühlen, prognostizierte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa letzten Oktober, und sie sollte recht behalten. Betroffen ist die ganze Welt, aber besonders Europa.

In den letzten zehn Jahren ist die EU wirtschaftlich, technologisch und militärisch weiter hinter die USA zurückgefallen.
Autor: Analyse des European Council on Foreign Relations

Dort geht der Wirtschaftsmotor tatsächlich im Krebsgang. Und der Bedeutungsverlust der alten Welt geht noch weiter, glaubt man einer aktuellen Analyse der renommierte Denkfabrik European Council on Foreign Relations: «In den letzten zehn Jahren ist die EU wirtschaftlich, technologisch und militärisch weiter hinter die USA zurückgefallen.»

Ein Blick auf die Gesamtwirtschaft zeigt, dass der Abstand zwischen den USA und Europa grösser wird. Auch die nahe Zukunft verspricht keine Besserung: Die wichtigsten Indikatoren für die Eurozone deuten auf eine Verschlechterung der Wirtschaft hin. Die Industrie verliert zusehends die Lust am Investieren, und hohe Energiekosten und die zähe Inflation sorgen für einen eklatanten Wettbewerbsnachteil Europas gegenüber China und den USA.

Europa altert

Dazu kommt: Europa wird immer älter und eine alte Gesellschaft verliert zwangsläufig an Produktivität. Für den Ökonomen Daniel Kaufmann von der Uni Neuenburg ist das entscheidend: «Auf der einen Seite bedeuten mehr Leute in einem Land mehr Konsum. Auf der anderen Seite gibt es auch mehr Leute auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb beobachtet man, dass eine Wirtschaft mit viel Einwanderung und einem hohen Bevölkerungswachstum auch stärker wächst.»

Genau das gelte im Besonderen für die Wirtschaft der USA. Sie wachse. Während die Regierungen in der Eurozone wirtschaftspolitisch kleckern, klotzt US-Präsident Joe Biden. Er arbeitet in horrendem Tempo am Umbau der heimischen Wirtschaft, sie soll grüner werden. Ein Geldregen soll auf Unternehmen niedergehen, die in den USA in Halbleiter und grüne Technologien investieren. Hinzu kommen Steuererleichterungen für praktisch alle Sektoren.

International ein unfairer Wettbewerbsvorteil

Ökonom Kaufmann spricht von einer massiven Staatsintervention im privaten Sektor. Fast könnte man meinen, Europa sei von der Entschlossenheit der Amerikaner überrascht worden. «Bis anhin sah man solche Subventionen in einem relativ liberalen Welthandelssystem kritisch. Die heimische Wirtschaft wird dann mit Subventionen, die auf dem internationalen Parkett einen unfairen Wettbewerbsvorteil darstellen, unterstützt. Das war ein Tabu. Biden hat es gebrochen.»

Die Wirtschaftsentwicklung in der EU und in Deutschland ist einer der wichtigsten Indikatoren, ob es der Schweizer Wirtschaft gut geht oder nicht.
Autor: Daniel Kaufmann Ökonom an der Universität Neuenburg

Die wichtigsten Handelsbeziehungen der Schweiz liegen in der Eurozone, sagt Kaufmann: «Die Wirtschaftsentwicklung in der EU und in Deutschland ist einer der wichtigsten Indikatoren, wie es der Schweizer Wirtschaft geht. Natürlich kann man das teilweise mit Exporten in die USA ausgleichen. Aber Deutschland hat eine wichtige Rolle für die Schweiz und deshalb kann man es nie ganz ausgleichen, wenn die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland schlecht ist.» Für die Schweizer Wirtschaft sind das keine guten Aussichten.

Ob ennet dem Atlantik Bidens Green New Deal verfängt, bleibt abzuwarten. Denn staatliche Interventionen in Milliardenhöhe haben ihren Preis: Die USA verschulden sich und diese Schulden muss das Land irgendwann einmal abbauen. Wirtschaftlich sollte diese zwar möglich sein, wie Ökonom Kaufmann sagt. Aber: «Es ist ein politisches Problem. Die Republikaner waren nicht einverstanden damit, dass die Schuldengrenze erhöht wird. Das hat zu politischen Unruhen geführt, was wiederum zu wirtschaftlichen Unruhen geführt hat.»

Rendez-vous, 08.08.2023, 12:30 Uhr

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