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Trump mit dem Rücken zur Kamera
Legende: Abkehr von der herrschenden Wirtschaftsordnung oder blosse Verhandlungstaktik? Trumps Wirtschaftspolitik stellt die EU vor Herausforderungen. Reuters

Handelsstreit mit USA Eine «Ohrfeige für die EU» – und das Ende der Globalisierung?

Ein Historiker sieht die Weltwirtschaft im Umbruch. Ein Brüsseler Lobbyist will eine robuste Reaktion auf Trumps Zölle.

Seit Donald Trumps Amtsantritt hing es wie ein Damoklesschwert über dem transatlantischen Verhältnis: Das Wahlkampfversprechen, «unfaire Handelsverträge» aufzulösen – ohne Rücksicht auf traditionelle Verbündete.

Nun will der US-Präsident ernst machen: «Unsere Freunde und Feinde haben uns jahrelang ausgenutzt. Unsere Stahl- und Aluminiumindustrie sind tot.»

«Es ist Zeit für einen Wandel!», fügte Trump an. Mit dem «Wandel» (engl. «change») hin zu einer besseren, friedvolleren Welt, wie ihn Trumps Vorgänger Barack Obama einst beschwor, hat die Ankündigung aber wenig zu tun: Trump will – je nach Optik – Straf- bzw. Schutzzölle erheben.

Manche Kommentatoren sehen bereits einen veritablen «Handelskrieg» heraufziehen. Für andere ist das transatlantische Verhältnis nachhaltig beschädigt.

Schon lange ist eine Kräfteverschiebung spürbar: Die USA verlieren ihre zentrale Rolle in der Weltwirtschaft.
Autor: Harold James Wirtschaftshistoriker in Princeton

Rückzug auf Raten der USA

Der Wirtschaftshistoriker Harold James lehrt an der renommierten Princeton University in den USA. Im Gespräch mit SRF News relativiert er den Flurschaden zwischen Brüssel und Washington zunächst. Zwar entfessle Trump durchaus «eine Art Handelskrieg»: «Solche hat es aber in den letzten 60 Jahren regelmässig gegeben.» Und auch «traumatische Rückschläge» für den Welthandel seien nichts Neues.

Den Wirtschaftshistoriker beunruhigt vielmehr, dass die USA die Zukunft der Welthandelsorganisation WTO infrage stellten: «Das ist gravierender als der etwas übertriebene Streit über Stahl- und Aluminiumzölle.» Denn schon vor Trumps Amtsantritt habe sich in Washington eine Tendenz zum Bilateralismus und gegen multilaterale Verträge abgezeichnet.

China bringt sich in Stellung

Für James könnten zwar die EU oder auch China neue Impulse bringen, um die WTO wieder zu stärken. Das ändere aber nichts daran, dass der Gestaltungswille im Welthandel nicht mehr von den USA komme: «Schon lange ist eine Kräfteverschiebung spürbar: Die USA verlieren ihre zentrale Rolle in der Weltwirtschaft.»

In der Form, wie sie in den letzten dreissig Jahren gelaufen ist, wird es die Globalisierung nicht mehr geben.
Autor: Harold James Wirtschaftshistoriker in Princeton

James rät Europa allerdings davon ab, in China den Retter der globalisierten Weltwirtschaft zu suchen: «Viele Aspekte der chinesischen Handelspolitik sind problematisch und lösen Ängste aus. Ein Grund für den Handelsstreit zwischen der USA und der EU ist ja gerade die Herausforderung durch China.»

Jinping spricht 2017 am WEF in Davos.
Legende: Seit Trumps Amtsantritt bringt sich China auch medienwirksam – wie hier Staatspräsident Xi Jinping am WEF 2017 – als Garant für Freihandel in Stellung. Keystone

Ist die Globalisierung damit gescheitert? Jein, sagt der Wirtschaftshistoriker. «Aber in der Form, wie sie in den letzten dreissig Jahren gelaufen ist, wird es sie nicht mehr geben.» Allerdings: Die Politik – und damit auch Trump – reagiere bloss auf Ängste in der Bevölkerung; und zu diesen zähle derzeit auch die Globalisierung.

Was tun, Europa?

Markus Beyrer ist Generaldirektor des Dachverbands «Business Europe», der in Brüssel Wirtschaftsverbände aus mehr als 30 europäischen Ländern repräsentiert. Gegenüber SRF News rät er der EU, «nüchtern und vernünftig» zu reagieren: «Sie darf nicht zur Eskalation beitragen und auf ein emotionales Spiel einsteigen.»

Man darf nicht alles für bare Münze nehmen, was auf Twitter angekündigt wird.
Autor: Markus Beyrer Generaldirektor von «Business Europe»

Zumindest rhetorisch hat die EU bereits reagiert: Mit der Androhung von Zöllen auf amerikanischen Whiskey, Erdnussbutter und Motorräder von Harley Davidson. Der US-Präsident brachte postwendend Einfuhrzölle auf europäische Autos ins Spiel – ein Affront insbesondere gegenüber Deutschland.

Entspricht das Beyrers Forderung nach einer «nüchternen» Reaktion? «Die EU hat in den Raum gestellt, was auf Basis der WTO-Regeln in so einem Fall passieren würde.» Bei genauerem Hinschauen handle es sich um eine moderate Reaktion, «die sich ungefähr auf die Hälfte der zu erwartenden Schäden für die EU beziehen würde.»

Reaktion und Gegenreaktion

Nichts zu tun wäre dagegen das falsche Signal an den US-Präsidenten gewesen, sagt Beyrer. Doch schiesst sich die EU nicht ins eigene Knie, wenn sie sich auf ein Spiel von Reaktion und Gegenreaktion mit Trump einlässt? «Man darf nicht alles für bare Münze nehmen, was auf Twitter angekündigt wird», antwortet der Lobbyist.

Trump stützt sich bei der Erhebung von Schutzzöllen darauf, dass sie dem nationalen Sicherheitsinteresse dienten. Dies erlaubt ihm, die Beschlüsse eigenmächtig, also vorbei am Kongress, zu fassen. Beyrer hält Trumps Handlungsspielraum deswegen aber für begrenzt: «Ich bin mir sehr unsicher, ob etwa Zölle auf Autos auf dem Schutz der nationalen Sicherheit basieren können.» Angeblich sollten die «Checks and Balances» in den USA ja nach wie vor wirken, fügt Beyrer vielsagend hinzu.

Sie können nicht eine Wohnung mieten und nach einem Monat sagen, ihnen sei der Strompreis zu hoch.
Autor: Markus Beyrer Generaldirektor von «Business Europe»

Für den Generaldirektor von «Business Europe» ist aber klar: Europa als grösster Wirtschaftsraum der Welt dürfe sich nicht drangsalieren lassen: «Die EU kann nicht einfach die andere Backe hinhalten, wenn sie eine Ohrfeige bekommt.»

Allerdings: Auch die EU verhängt Zölle, die im Schnitt sogar höher sind als diejenigen der USA. Dies hat auch Trump wiederholt kritisiert. Beyrer will das nicht gelten lassen: «Es stimmt, dass Zölle auf Autos in Einzelfällen höher sind. In anderen Fällen ist es aber genau umgekehrt.»

Ungewisse Aussichten

Handelsbeziehungen seien immer ein Geflecht und müssten in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, sagt Beyrer: «Sie können nicht eine Wohnung mieten und nach einem Monat sagen, ihnen sei der Strompreis zu hoch.» Ob Trump sich bis kommende Woche, wenn die Zölle in Kraft treten sollen, von derartigen Argumenten überzeugen lässt, ist allerdings fraglich.

Das räumt auch Beyrer ein: «Überhaupt von einer möglichen Einigung zu reden, ist schwierig, wenn gegenüber einem der engsten Partner einseitig WTO-widrige Massnahmen in den Raum gestellt werden.» Die Differenzen könnten aber bei «gutem Willen» ausgeräumt werden, glaubt Beyrer. Und wenn nicht? «Dann wird man sich überlegen müssen, wie man darauf reagiert.»

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