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Hochverschuldeter Baukonzern Chinesischer Immobiliengigant Evergrande wird liquidiert

  • Ein Hongkonger Gericht hat die Abwicklung des hochverschuldeten chinesischen Baukonzerns Evergrande angeordnet.
  • Der Prozess soll noch heute gestartet werden.
  • Nach der Ankündigung stürzten Evergrande-Aktien um mehr als 20 Prozent ab.

Richterin Linda Chan erklärte, sie halte den Schritt in Anbetracht des «offensichtlichen Mangels an Fortschritten seitens des Unternehmens bei der Vorlage eines tragfähigen Umstrukturierungsplans» für angemessen und ordne ihn daher an.

Das Gericht habe bei der letzten Anhörung im Dezember sehr deutlich gemacht, dass es einen «vollständig formulierten und realisierbaren Vorschlag» erwarte, fügte sie hinzu. Chan wird voraussichtlich am Montagnachmittag ihre ausführliche Begründung für die Abwicklungsbeschluss abgeben und einen Insolvenzverwalter ernennen.

Über 300 Milliarden Dollar schuldet das einstige Aushängeschilde der chinesischen Immobilienbranche Investorinnen und Anlegern. Schulden die Evergrande vorwiegend in China gemacht hat aber auch im Ausland.

Liquidierung «selbstverschuldet»

Ein Gläubiger hatte 2022 in Hongkong den Antrag auf die Liquidierung von Evergrande gestellt, das Verfahren zog sich seitdem in die Länge. Anfang Dezember hatte Richterin Chan dem strauchelnden Unternehmen für die Vorlage eines Umstrukturierungsplans noch einen Aufschub gewährt, um die drohende Abwicklung abzuwehren.

Diese Frist ist am Montag verstrichen. «Das Unternehmen hat sich die Auflösung selbst zuzuschreiben», sagte Gläubiger-Anwalt Fergus Saurin nach der Entscheidung des Gerichts. Evergrande habe es versäumt, mit den Gläubigern in den Dialog zu treten. Nach der Ankündigung der Abwicklung des Immobilienkonzerns stürzten Evergrande-Aktien an der Hongkonger Börse um mehr als 20 Prozent ab. Wenig später teilte die Börse den Stopp des Handels mit Wertpapieren von Evergrande sowie der Tochtergesellschaft für Elektrofahrzeuge mit.

Bausektor in der Krise

Evergrande steht im Mittelpunkt der Krise des chinesischen Bausektors. Chinas Behörden hatten 2020 mit Beschränkungen bei der Kreditbeschaffung auf die ausufernde Verschuldung der Branche reagiert. Besonders bei Evergrande führte dies zu Zahlungsausfällen und Projektabbrüchen. 2021 beantragte der Konzern ein Insolvenzverfahren. Er hat umgerechnet mehr als 300 Milliarden Euro Schulden angehäuft.

Im März dieses Jahres bot Evergrande seinen Gläubigern an, ihre Schulden gegen neue, vom Unternehmen ausgegebene Wertpapiere und Aktien zweier Tochtergesellschaften einzutauschen. Im September wurde der Konzernchef Xu Jiayin in China festgenommen, die Aktienkurse stürzten ab. Der Handel mit den Aktien des Baukonzerns wurde daraufhin eingestellt, Anfang Oktober jedoch wieder aufgenommen. Behördliche Untersuchungen gegen eine weitere Tochterfirma sorgten für weitere Unsicherheit.

Der Immobiliengigant beschäftigt (stand 2020) rund 123'000 Mitarbeiter.

Einschätzung von SRF-China-Korrespondent Samuel Emch

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Da der Konzern in den letzten Jahren mehrfach seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen ist, haben einige internationale Geldgeberinnen und Investoren Klage in Hongkong eingereicht. Über Monate wurde verhandelt über einer Restrukturierung des Konzerns und der Schulden. Nun sagt die Richterin: Genug ist genug. Nun sollen Unternehmenswerte liquidiert werden um die Schulden des Konzerns zu begleichen.

Was einfach und schlüssig tönt, dürfte ein schwieriger Prozess werden. Denn der Entscheid geht weit über den Konzern Evergrande heraus. Der Fall wird zum Prüfstein für die chinesische Führung. Diese versucht seit Jahren, die für die Wirtschaft enorm wichtige Immobilienbrache vor dem Kollaps zu retten. In China gibt es noch zahlreiche weitere «Evergrandes» – also Immobilienkonzerne, die am Straucheln sind und Schulden im In- und Ausland haben.

Diese Konzerne haben wie Evergrande ihr Vermögen, ihre Immobilien, vorwiegend in China. Die grosse Frage wird jetzt sein, inwiefern diese verkauft werden können, wie es das Gerichtsurteil verlangt, um die Schulden bei ausländischen Investoren zu begleichen.

SRF 4 News, 29.01.2024, 7:00 Uhr ; 

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