1.70 Franken kostet der Liter Benzin aktuell an einer Tankstelle im Berner Seeland. Das sind bis zu 30 Rappen mehr als noch vor ein paar Monaten. Der stattliche Aufschlag hat mit dem hohen Erdölpreis zu tun. Er ist in den vergangenen Monaten von 40 auf zeitweise fast 90 Dollar pro Barrel geklettert. Und zwar, weil sich die Wirtschaft in vielen Staaten erholt hat. Damit ist auch die Nachfrage nach Öl gestiegen.
Gleichzeitig aber wird immer noch weniger Öl aus dem Boden geholt als noch vor der Krise. Insbesondere die grossen Förderländer, die Teil der OPEC sind – der Vereinigung der Erdöl-exportierenden Staaten – und Russland stehen auf der Bremse, erklärt Christof Rühl, Erdölexperte an der Columbia Universität in New York: «Wegen der Produktionskürzungen gibt es freie Reservekapazitäten. Man könnte also mehr produzieren, wenn OPEC plus mehr produzieren möchte – sie wollen das aber nicht.»
Denn die Firmen und Staaten sind auf die Einnahmen aus dem Ölgeschäft angewiesen und haben deshalb kein Interesse an tiefen Preisen. Das Resultat dieser Entwicklung zeigt sich an der Zapfsäule in Form von höheren Benzinpreisen: Die gut 17 Liter an der Tankstelle im Berner Seeland kosten 30 Franken.
Fakt ist: Die Erdölkonzerne und die Ölscheichs reiben sich aktuell die Hände. Sie sind es, die viele der hiesigen Tankstellen betreiben oder zumindest das Benzin oder den Diesel liefern. Und sie haben in den vergangenen Monaten immense Gewinne gemacht, wie die jüngsten Quartalsabschlüsse zeigen.
Allerdings fielen die Gewinne nur kurzfristig an, erklärt Christof Rühl, der früher selber für Ölfirmen gearbeitet hat und heute in New York zu den Erdölmärkten forscht: «Es gibt aber ein interessantes Phänomen in den Ölmärkten: Die Kosten passen sich den Preisen relativ schnell an, so steigen die Bohr- und Stahlkosten. Die Ölindustrie ist ja selber sehr energieintensiv. Diese Kosten folgen den Preisen.» Und fressen damit einen Teil der Gewinne auch wieder auf.
Westliche Ölmultis profitieren weniger
Allerdings trifft das nicht alle Unternehmen gleich stark, so der Erdölexperte: «Hier sind die grossen westlichen Ölkonzerne wie Exxon Mobil, Chevron oder Shell mit am meisten betroffen, weil sie in den teuersten Gegenden operieren. Sie kommen an die billigen Gegenden nicht ran, diese sind in der Hand von staatlichen Ölgesellschaften. Sie betreiben also die teureren Produktionsstätten und bei ihnen schlägt diese Kostenanpassung am stärksten auf die Bilanzen durch.»
Umgekehrt heisst das, Staaten mit leicht zugänglichen Ölvorkommen profitieren enorm von den aktuell hohen Erdölpreisen. Exemplarisch zeigt sich das beim grössten Ölkonzern der Welt, bei Aramco aus Saudi-Arabien: In den ersten neuen Monaten dieses Jahres machte Aramco einen Gewinn von sagenhaften 77 Milliarden Dollar.