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Hohe US-Zölle für die Schweiz Der Bundesrat hat sich verschätzt

Mit diesem Worst-Case-Szenario hat in Bundesbern niemand gerechnet. Kaum jemand in der Bundesverwaltung oder in der Politik ging davon aus, dass die Schweiz mit einem noch höheren Zollsatz abgestraft wird als mit den 31 Prozent, die US-Präsident Donald Trump am sogenannten «Liberation Day» angedroht hatte.

Bundesrat hat sich lange auf eine Erklärung verlassen

Wurde die Schweiz als Kleinstaat, der nicht in einem grösseren Staatenbündnis und grösstenteils auf sich alleine gestellt ist, zum Spielball einer Grossmacht? Hatte der Bundesrat gar keine Chance auf einigermassen faire Verhandlungen erhalten? Oder hat die Landesregierung eben doch Fehler begangen in den Gesprächen mit der US-Seite?

Diese Fragen werden die Innenpolitik in den nächsten Tagen stark beschäftigen. Selbst in der Bundesverwaltung waren schon am Donnerstag kritische Stimmen zu hören: Der Bundesrat habe sich zu lange darauf verlassen, mit den USA eine Absichtserklärung ausgehandelt zu haben.

Lage falsch eingeschätzt

Möglicherweise hat der Bundesrat die Lage völlig falsch eingeschätzt. Es würde schon gut kommen, sei die vorherrschende Meinung gewesen, ist aus der Verwaltung zu hören. Andere Staaten dagegen seien viel energischer in Washington aufgetreten. In den vergangenen Wochen hätten sich Staatschefs auch von kleineren Staaten noch mit Donald Trump getroffen, während die Schweiz lange zuwartete.

Man könne nun nichts mehr machen, sagte Bundespräsidentin Karin-Keller Sutter am Dienstag in einer Voraufzeichnung des 1.-August-Gesprächs des Schweizer Fernsehens. Die mit den USA ausgehandelte Absichtserklärung sei nun in den Mühlen der US-Verwaltung. Die Frage stellt sich aber, ob der Bundesrat hier auf den letzten Verhandlungsmetern eine Chance verpasst hat.

Nun bietet sich für die Schweiz ein vielleicht letztes, ultrakurzes Verhandlungsfenster von sechs Tagen bis zum 7. August. Falls es Trump mit der neuen Frist und dem extrem hohen Zollsatz von 39 Prozent wirklich ernst meint. Der Bundesrat hat bereits angekündigt, weiter verhandeln zu wollen.

Mehr Zugeständnisse kaum möglich

Es dürfte für die Landesregierung sehr schwierig werden, der US-Seite noch substanziell mehr anzubieten. Mit rund 150 Milliarden Dollar Investitionsversprechen hat die Schweiz im Vergleich mit anderen kleinen Staaten schon viel angeboten. Die Zölle auf Industriegütern hat die Schweiz schon abgeschafft.

Viel mehr Waren aus den USA zu importieren, um das von Donald Trump so stark kritisierte Handelsbilanzdefizit zu verkleinern, ist utopisch. Ein Land mit nur neun Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern kann gar nicht so viele Güter einkaufen, wie sich das der US-Präsident vorstellt.

Potential bei Landwirtschaftszöllen

Handlungsspielraum gibt es theoretisch noch bei den Agrarzöllen. Der Bundesrat bot den USA Importerleichterungen für Orangen, Meeresfrüchte und Nüsse an – das klang von Anfang an etwas belanglos. Hier wären vielleicht grössere Zugeständnisse nötig, die allerdings innenpolitisch kaum durchsetzbar sind, weil die Bauern Zollsenkungen im Agrarbereich massiv bekämpfen würden. Ein erster Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA scheiterte damals am Widerstand der Landwirtschaft.

Der Spielraum für weitere Zugeständnisse an die USA dürfte für den Bundesrat klein sein. Umso wichtiger wird es wohl sein, dass Bundesratsmitglieder in den nächsten Tagen mit Entschlossenheit und Tatkraft auf Washington zugehen.

Andy Müller

Bundeshausredaktor

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Andy Müller ist Bundeshausredaktor des Schweizer Fernsehens. Zuvor war er Themenplaner und stellvertretender Redaktionsleiter von «10vor10».

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SRF 4 News, 01.08.2025, 11 Uhr

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