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Internet der Zukunft Web3 – wird jetzt alles besser?

«Web3» ist in der Tech-Szene das Wort der Stunde. Doch hinter vielen Versprechen stecken handfeste Profitinteressen.

Bescheidenheit ist selten die Sache von Venture-Kapitalisten: Im Januar veröffentlichte das Unternehmen Andreessen Horowitz 10 Tipps – sie richteten sich an die führenden Köpfe der Welt und sollen ihnen helfen, mit dem Web3 ein besseres Internet zu bauen.

Web1, Web2, Web3

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  • Web1: Bis in die frühen 2000-Jahre setzte sich das Internet noch vornehmlich aus statischen Webseiten zusammen, die kaum interaktiv waren und von Unternehmen genauso wie von Privaten betrieben wurden.
  • Web2: Ab 2004 begann der Siegeszug der grossen Plattformen. Seither können Nutzerinnen und Nutzer auch selbst Inhalte ins Internet stellen – etwa auf Social-Media-Seiten, die wie Facebook von grossen Unternehmen kontrolliert werden.
  • Web3: Die dritte Iteration des Internets soll dezentraler und demokratischer werden – so jedenfalls das Versprechen.

Das ist in etwa die Flughöhe, auf der sich die Hoffnungen rund um diese neue Technologie bewegen: Das Web3 soll nicht nur das Internet, sondern die ganze Welt zu einem besseren, demokratischeren Ort machen. Versprechen, die auch die vorhergehenden Iterationen des Internets (siehe Kasten oben) umkreisten, sich aber nie richtig erfüllen konnten.

Von seinen Vorgängern soll sich das Web3 vor allem dadurch entscheiden, dass es dezentral organisiert ist. Das soll die Position grosser Unternehmen wie Facebook oder Google schwächen, die ihre Plattformen heute wie Datensilos führen und damit viel Geld verdienen.

Möglich werden soll dieses Versprechen durch verteilte Systeme wie etwa der Blockchain – die Technologie des dezentral geführten Kontobuches, die man von Kryptowährungen wie dem Bitcoin kennt. Damit werden Daten nicht mehr zentral an einer Stelle gespeichert, sondern von allen Teilnehmern eines Netzwerkes gemeinsam verwaltet, sei es eine Social-Media-Plattform oder ein System zur Zahlungsabwicklung.

DAO-kratie

Auch sogenannte DAOs können so entstehen: Dezentralisierte autonome Organisationen, die nicht mehr hierarchisch von einer Geschäftsleitung gesteuert werden, sondern basisdemokratisch von allen Mitgliedern der jeweiligen Organisation. Bei Abstimmungen einigen sich die Mitglieder auf Regeländerungen und künftige Strategien – die entsprechenden Änderungen werden mittels sogenannter «Smart Contracts» automatisch vollzogen und in die Blockchain geschrieben.

Tatstächlich so dezentral?

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Moxie Marlinspike – Entwickler des Signal-Protokolls, das von Messenger-Apps wie Signal, WhatsApp, Facebook Messenger und Skype zur Verschlüsselung verwendet wird – hat sich in einem Blog-Post jüngst damit befasst, wie dezentral das Web3 tatsächlich ist.

Er kommt zum Schluss, dass Benutzerinnen und Benutzer auf Anwendungen und Dienste im Web3 meist nur über Schnittstellen zugreifen können. Und die Herrschaft über diese Schnittstellen sei kaum je dezentral verteilt, sondern liege in den Händen einzelner Personen oder Unternehmen, was dem Web3-Versprechen der Dezentralisierung entgegenstehe.

Abgestimmt wird mit sogenannten Tokens: Digitale Wertgegenstände, die man sich mit der Mitarbeit in einer Organisation verdient oder mit denen man sich überhaupt erst in die Organisation einkauft. Hier wird eine erste Bruchstelle der Versprechen rund um das Web3 sichtbar: In der DAO-Kratie gilt nicht mehr der Grundsatz «Ein Mensch, eine Stimme», sondern wer mehr Tokens besitzt, hat auch mehr zu sagen – besonders demokratisch scheint das nicht.

Durchgehende «Finanzialisierung»

Und noch etwas machen das Web3 und die Blockchain möglich: Sämtliche Transaktionen im Netz können festgehalten und bestimmten Personen zugeschrieben werden. Damit wird es z.B. möglich, sich für die Arbeit in einem sozialen Netzwerk bezahlen zu lassen – anders als heute, wo nur die Plattform-Betreiber einen finanziellen Nutzen aus den Aktivitäten ihrer Nutzerinnen und Nutzer ziehen können.

Andererseits macht die durchgehende «Finanzialisierung» allen Netzverkehrs auch Szenarien möglich wie etwa «Play-to-Earn»: Die Vision einiger Web3-Apologeten, dass Games in Zukunft nicht nur gespielt werden, um Spass zu haben, sondern auch, um damit Geld zu verdienen – für viele Gamerinnen und Gamer ein Horrorszenario.

Viel von dem, was im Moment zum Web3 zu hören und zu lesen ist, kommt einem vor wie eine Prophezeiung, die auf ihre eigene Erfüllung hofft. Und neben viel Marketing-Sprache und Worthülsen gehören dazu auch Versprechen, die vor allem den eigenen Profitinteressen dienen sollen und nicht dazu, das Internet tatsächlich zu einem egalitäreren Ort zu machen.

So gehört etwa Marc Andreessen zu den Gründern der eingangs erwähnten Wagniskapitalfirma Andreessen Horowitz. Er gilt als enger Vertrauter von Zuckerberg und sitzt im Verwaltungsrat von Facebook bzw. Meta.

SRF 3, 2. Februar, 9:10 Uhr

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