Ein zentrales Argument des Bundesrats gegen die 2020 am Ständemehr gescheiterte Konzernverantwortungsinitiative war, dass ein Schweizer Alleingang risikoreich und nicht sinnvoll sei. Besser sei ein «international abgestimmtes Vorgehen». Gemeint war damit: Die Schweiz soll sich nach der EU ausrichten.
Seit ein paar Wochen liegt nun das neue EU-Regime auf dem Tisch, das schärfere Regeln für Unternehmen zu Umweltschutz und Menschenrechten vorsieht. Doch der Bundesrat zögert. Das kommt in Teilen von Politik und Wirtschaft schlecht an. Gleich zwei Initiativen mit unterschiedlichen Ansätzen fordern nun strengere Regeln für Schweizer Unternehmen, um Wettbewerbsnachteile und Reputationsschäden zu verhindern.
«Appell für Konzernverantwortung»
Hinter dem «Appell für Konzernverantwortung» steht eine bunte Koalition aus Politik und Wirtschaft. Unterschrieben haben etwa der Steinwolle-Produzent Flumroc oder der Outdoor-Ausrüster Mammut. Sie hatten bereits die Konzernverantwortungsinitiative unterstützt.
Die Schweiz ist jetzt im Zugzwang, bei den strikten Richtlinien der EU nachzuziehen und gleichwertige Regeln einzuführen.
Die Schweiz sei jetzt im Zugzwang, unterstreicht Tobias Steinegger von Mammut. Gleichwertige Regeln sollen auch dafür sorgen, dass Schweizer Unternehmen gegenüber der europäischen Konkurrenz nicht benachteiligt werden.
Eine vom Bund bestellte Studie schätzt, dass etwa 160 bis 260 Schweizer Unternehmen von den schärferen EU-Richtlinien direkt betroffen sein dürften. Zwischen 10'000 und 50'000 Unternehmen sind indirekt tangiert, weil erstere die EU-Vorgaben an ihre Lieferkette weitergeben.
Und weil die EU-Richtlinien offensichtlich deutlich weitergehen als das geltende Schweizer Recht, brauche es Anpassungen, sagt Steinegger. Neben Sorgfaltspflichten für Menschenrechte und Umwelt brauche es auch verbindliche Absenkpfade beim Treibhausgas, eine Aufsichtsbehörde und eine ans Schweizer Recht angepasste Haftungsfrage. Forderungen, die sich mit der abgelehnten Initiative praktisch decken.
Allianz für nachhaltige Unternehmen
Derweil arbeitet eine weitere Koalition an Richtlinien für KMU. Dieser «Allianz für nachhaltige Unternehmen» haben sich 500 Firmen angeschlossen. Sie schlägt ein freiwilliges Gütesiegel vor. Um es zu erhalten, sollen sie ökologische und soziale Verantwortung nachweisen – analog zu den schärferen EU-Regeln für grosse Konzerne.
Das sei entscheidend, sagt Sprecher Fabio Monnet, denn die KMU seien oftmals in der Lieferkette dieser grossen Unternehmen. Die exportorientierte Schweiz habe gar keine Wahl, doch dieser Wettbewerbsfaktor werde bisher vernachlässigt. Viele KMU seien zurzeit unsicher, was sie tun müssten, um weiterhin in europäische Länder exportieren zu können. Das Anliegen liegt am Donnerstag in der Rechtskommission des Nationalrates.
Economiesuisse: «administrativer Alptraum»
Doch nicht die ganze Wirtschaft plädiert für die rasche Umsetzung der EU-Regeln oder ein Gütesiegel für KMU: Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse betont, dass ein «isolierter» Status nicht nötig sei und damit nur Risiken und Regulierungskosten weiter steigen würden. Der Branchenverband der Schweizer Maschinen-, Elektro und Metall-Industrie, Swissmem spricht von einem «administrativen Alptraum mit hohem Mehraufwand und Kosten».
Der Bundesrat will derweil weiter beobachten, wie die EU-Mitgliedstaaten die Richtlinien umsetzen. Die Diskussion um eine schärfere Regulierung von Schweizer Unternehmen dürfte sich noch lange hinziehen.