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Jobverlust in der Westschweiz «Die TX Group hat jeden Fehler gemacht, den man nur machen kann»

Wer bei einer der Zeitungen des Zürcher Medienunternehmens TX Group arbeitet, bangt in diesen Tagen um seinen Job. Besonders in der Westschweiz stehen viele Entlassungen an. So werden bei «24 heures», «Tribune de Genève» und «Le Matin Dimanche» nun jene Kündigungen ausgesprochen, die bereits vor einem Monat angekündigt worden waren.

Peter Rothenbühler war Chefredaktor auf beiden Seiten des Röstigrabens. Als die damalige Tamedia, heute TX Group, in den Westschweizer Medienmarkt einstieg, war er hautnah dabei.

Peter Rothenbühler

Journalist

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Rothenbühler ist in Biel zweisprachig aufgewachsen. Er war im Laufe seiner Karriere unter anderem Chefredaktor des «Sonntagsblick» und der «Schweizer Illustrierten», aber auch von «Le Matin», der einst meistgelesenen Westschweizer Bezahlzeitung.

SRF News: Ist es nachvollziehbar, dass in der Westschweiz mehr Stellen wegfallen als in der Deutschschweiz?

Peter Rothenbühler: Es war zu erwarten, weil das Engagement der TX Group in der Westschweiz von Anfang an ein Trauerspiel gewesen ist. Sie haben sich in allem getäuscht. Sie haben zu viel bezahlt für den Verlag von Edipresse von Pierre Lamunière. Lamunière war ein sehr cleverer Verleger. Er hat gemerkt: Es geht rückwärts mit den Zeitungen und er wollte unbedingt verkaufen. Und die TX Group wollte unbedingt kaufen. Da haben sie einfach jeden Preis bezahlt.

Sie haben jeden Fehler gemacht, den man nur machen kann.

Und als sie diese Zeitungen hatten, haben sie jeden Fehler gemacht, den man nur machen kann. Auch im Umgang mit den Leuten. Sie sind mit den Leuten umgegangen wie in Zürich, haben sie geduzt – das geht in der Westschweiz nicht. Schliesslich haben sie nichts Neues lanciert, sondern nur abgebaut.

Ist der Westschweizer Medienmarkt vielleicht einfach zu klein, um profitabel zu sein?

Er ist relativ klein, aber man muss sehen, dass es etwa anderthalb Millionen mögliche Leser gibt. Den Zeitungen im Wallis, in Freiburg, Biel oder Neuenburg etwa geht es gut. Die funktionieren bestens. Auch Mikrozeitungen geht es sehr gut. Man muss einfach fähig sein, ein Regionalblatt zu machen. Ein erfolgreiches Regionalblatt.

Auch bei «20 Minuten» wird gespart

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Auch bei der TX-Group-Sparrunde bei «20 Minuten» sind mehr Leute in der Romandie betroffen als in der Deutschschweiz. In Zürich sollen sieben Personen entlassen werden, in Lausanne und Genf 28 – ein Viertel der Westschweizer Redaktion. Ein harter Schlag für den Medienplatz in der Westschweiz, heisst es bei der Gewerkschaft Impressum. «Einerseits befürchten wir, dass ganz viele Themen – insbesondere in den Regionen – einfach nicht mehr abgedeckt werden, andererseits ist es auch für die Medienschaffenden eine unglaublich schwierige Situation», sagt Zentralsekretärin Livia Lehner. Jene, die blieben, stünden unter enormem Druck, gleich viele Inhalte zu produzieren, wie das Unternehmen verlange. Eine neue Stelle auf einem so kleinen Medienplatz zu finden, sei schwierig.

Erst vor zwei Jahren hatte die TX Group die betroffene Redaktion aufgestockt, doch der Umsatz blieb laut Verleger unter den Erwartungen. Eine Kostensenkung sei nötig, schreibt das Unternehmen in einer Mitteilung.

Was müsste denn passieren, damit es mit der Westschweizer Presselandschaft nicht zu Ende geht, wie zum Beispiel die Gewerkschaft Impressum befürchtet?

Es genügt, wenn es in Lausanne nur eine gute regionale Tageszeitung hat – das gilt auch für Genf. Dann hat jeder Kanton eine gute, regionale Tageszeitung. Und die regionalen Tageszeitungen, die können überleben. Das zeigen «La Liberté» in Freiburg, «Le Nouvelliste» im Wallis und auch der «Walliser Bote». Eine Katastrophe ist der Westschweizer Medienmarkt nicht, aber man kann nicht mehr mit der grossen Kelle anrühren.

Tamedia wäre besser im Führen einer Bank als eines Verlags.

Gibt es etwas, was die Politik tun müsste, um der Westschweizer Presse zu helfen?

Ich bin absolut dagegen, dass sich die Politik einmischt. Der Waadtländer Regierungsrat will mit der TX Group sprechen. Die haben dort nichts auszurichten. Das ist ein privates Unternehmen. Aber dieses private Unternehmen hat nur das Ziel, den Gewinn zu maximieren, weil sie sehr viele Familienaktionäre haben, die ihre Dividenden wollen.

Diese Leute zufriedenzustellen, ist das grosse Ziel des Verlegers Pietro Supino. Darum hat er alle diese Onlinesachen gekauft, diese Auto-, Immobilien- und Stellenbörsen. Dort macht er sehr viel Geld. Er hat mit «20 Minuten» auch sehr viel Geld gemacht, aber dieser Markt ist inzwischen rückläufig. Die TX Group wäre besser im Führen einer Bank als eines Verlags.

Das Gespräch führte Valérie Wacker.

Korrektur und Anmerkung der Redaktion

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In der Erstversion des Artikels waren teilweise inhaltliche Fehler drin. Diese sind beim Transkribieren des Gesprächs entstanden. Wir entschuldigen uns in aller Form dafür.

HeuteMorgen, 26.10.2023, 06:00 Uhr ; 

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