Schön drapiert und perfekt gebettet liegen sie da. Und jedes einzelne scheint zu schreien: Iss mich! Pralinés sind zur Perfektion gebrachte Schokolade-Verführungen. Doch sind die Praliné-Häppchen weg, bleibt die Karkasse zurück, und das ist ziemlich viel Karton und Kunststoff für relativ wenig Schokolade.
«Verpackung ist bei Schokolade wichtig», erklärt Alexander von Maillot. Er ist der Chef der Süsswaren- und Eis-Sparte des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé. Sie soll garantieren, dass seine Süssigkeiten in guter Qualität die Kundschaft erreichen, auch in Ländern, wo es sehr heiss, sehr kalt oder sehr feucht ist.
Eine 300-Gramm-Tafel Schokolade zu verpacken brauche weniger Material als Pralinés, räumt er ein. Pralinés sind für ihn als Geschenke gedacht und sollten deshalb auch besonders schön aussehen.
Schokolade hat keine Schale
Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern hat sich dazu verpflichtet, Verpackungen zu redimensionieren. Bei den Pralinés suchen die Leute um Alexander von Maillot Alternativen zum Plastik-Tablett, auf dem die Häppchen drapiert sind. «Es gibt bereits Trays aus rezykliertem Papier, zum Beispiel die Eierschachteln.»
Es ist viel schwieriger, als wir dachten.
Die Technologie ist nicht kompliziert. «Doch anders als die Schokolade hat das Ei eine Schale», sagt der Nestlé-Manager. Damit Schokolade sicher auf Papier liegen kann, ohne die Qualität zu beeinträchtigen, braucht es noch viel Forschungsarbeit.
«Es ist viel schwieriger, als wir dachten», räumt von Maillot ein. Doch es sei ein spannender Prozess. Er ist überzeugt, dass in wenigen Jahren ganz neue Verpackungsmaterialien auf dem Markt sein werden. Sie stünden noch am Anfang einer langen Entwicklung.
Verpackungen sind gut…
Selçuk Yildirim ist einer, der Verpackungen neu erfinden will. Er ist Professor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Wädenswil. In seinem Labor zeigt er auf eine Maschine, die Fleisch keimfrei in Plastik einschweisst. Daneben verpackt eine Maschine Brotlaibe und füllt die Plastikhülle mit einem Gas.
Diese Techniken verhindern, dass das Schnitzel verdirbt oder das Brot Schimmel ansetzt. «So können auch Konservierungsmittel in den Lebensmitteln reduziert oder ganz weggelassen werden», erklärt Yildirim.
…aber lange nicht optimal
Diese in der Schweiz und Europa verbreiteten Verpackungen funktionierten sehr gut. Das Problem aber ist, dass die Verpackungen meist weggeworfen werden: «Da sind wir noch weit weg von einer optimalen Lösung», konstatiert der Forscher.
Yildirim und seine Studierenden tüfteln deshalb zusammen mit der Industrie an neuen Verpackungen. Einerseits geht es darum, die Menge von Material zu reduzieren. So ist eine PET-Flasche heute deutlich dünner als noch vor ein paar Jahren.
Folien aus Kartoffelschalen
Ein anderer Ansatz ist Bioplastik, also Verpackungsmaterial, das entweder aus nachwachsenden Materialien gewonnen wird oder biologisch abbaubar ist. Da laufe die Forschung auf Hochtouren. Yildirim ortet da aber ein Problem: «Auch abbaubare Materialien sind oft jahrelang in den Böden und in den Meeren zu finden. Kommt dazu, dass Mais Menschen auch vor Hunger bewahren kann, statt zu Folien verarbeitet zu werden.»
Warum produzieren wir Verpackungen, die man nur einmalig verwenden kann?
Der Forscher setzt deshalb auf Abfällen oder Nebenprodukten aus der Lebensmittel-Industrie, um Verpackungen zu produzieren. Kartoffelschalen, Kaffeesatz oder andere Schalen würden Stoffe enthalten, aus denen sich neue Verpackungsmaterialien produzieren liessen, ist er überzeugt.
Dazu stellt sich ihm eine grundsätzliche Frage: «Warum produzieren wir Verpackungen, die man nur einmalig verwenden kann?» Die derzeit verwendeten Plastikfolien bestehen aus mehreren hauchdünnen Schichten verschiedener Kunststoffe, ein hochtechnisches Produkt also.
Das allerdings macht das Rezyklieren schwierig. Yildirim will diesen Kunststoff durch ein neues High-Tech-Produkt, ein einschichtiges Material, ersetzen. Tönt einfach – ist es aber nicht.
Verpackung verhindert Foodwaste
«Ohne Verpackung verderben Unmengen von Lebensmitteln, was die Umwelt deutlich mehr belastet als die Verpackungen selbst», ist der ZHAW-Forscher überzeugt. Ein Drittel der Lebensmittel wird in Europa weggeworfen, entweder bei der Produktion oder weil sie nicht gegessen würden, rechnet er vor. «In anderen Ländern der Welt werfen die Menschen auch ein Drittel der Lebensmittel weg, aber weil sie mangels guter Verpackung verderben.»
Yildirim will weiter forschen und hat ein klares Ziel: «Wir wollen ein Verpackungsmaterial entwickeln, das sicher ist, aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugt wird, rezyklierbar und bezahlbar ist.»
Emotionen entscheiden
Verpackungen sollen aber nicht nur schützen, sondern auch auffallen und uns zum Kauf animieren. «In der westlichen Welt werden wir pro Tag bis zu 10'000 Mal von Produkten angesprochen», erklärt Philipp Zutt.
Das Abfüllen muss Spass machen.
Zutt ist Spezialist für Neuromarketing und versucht mit Erkenntnissen der Hirnforschung zu erörtern, wie man Produkte besser an die Kundschaft bringt: «Rational kann die Flut an Eindrücken nicht verarbeitet werden.» So würden Emotionen aus unseren Sinneswahrnehmungen darüber entscheiden, ob Produkt 1 oder 2 in den Warenkorb kommt.
Und diese Emotionen würden von Verpackungen beeinflusst. Fällt die Verpackung weg oder wird sie reduziert, brauche es neue Trigger, sagt Zutt und kann sich zum Beispiel personalisierbare Behälter vorstellen, in welche die Produkte abgefüllt werden könnten: «Das Abfüllen muss Spass machen.» Es brauche ein «Community-Feeling», denn auch «grün sein» sei ein Status in der Gesellschaft.
Also dürfte auch der Entscheid, im Laden auf Verpackungen zu verzichten, vor allem von Emotionen gesteuert sein und nicht vom Verstand. Für die Lebensmittelproduzenten bedeutet das: Wer mit einer ökologischen Verpackung hervorsticht und diese gut vermarktet, kann aus neuen Verpackungen durchaus Profit schlagen.