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Kampf gegen Währungskrise «Argentinien ist auf einer steilen Gratwanderung»

Der Verfall des argentinischen Peso geht weiter. Verzweifelt sucht das südamerikanische Land nach einem Ausweg aus der Währungskrise. Der Hilfskredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) über 50 Milliarden Dollar, der im Juni gutgeheissen wurde, soll doch schon früher gesprochen werden, hofft die Regierung von Präsident Mauricio Macri.

Denn obwohl schon ein Teil des Geldes geflossen ist und die Zentralbank den Leitzins auf 60 Prozent erhöht hat, hält die Flucht aus dem Peso an. Seit Anfang Jahr hat er gegenüber dem Dollar über die Hälfte seines Wertes eingebüsst. Wie kam es zur Krise und wie findet das Land wieder heraus? Volkswirtschaftsprofessor Reto Föllmi ordnet ein.

SRF: Argentinien kämpft wie viele Schwellenländer mit dem Verfall seiner Währung. Warum?

Reto Föllmi: Argentinien ist, wie alle Schwellenländer, von ausländischem Kapital abhängig, weil diese Schwellenländer sich ja entwickeln wollen. Im Moment aber steigen die Zinsen für dieses Kapital und das trifft alle Schwellenländer, eben auch Argentinien, in ähnlichem Masse.

Weshalb steht gerade Argentinien unter Druck?

Argentinien ist als Volkswirtschaft immer einseitig aufgestellt gewesen und ist es heute noch. Sie ist hauptsächlich spezialisiert auf den Export von Agrargütern. Argentinien ist in diesem Jahr von einer sehr starken Dürre getroffen worden, sodass die Produktion und auch die Exporte der Agrargüter deutlich gefallen sind. Und das hat die Währung jetzt in den Abgrund getrieben.

Was bedeutet der Zerfall des Pesos für das Land?

Argentinien weist ein Defizit, sowohl in der Leistungsbilanz, also auch in der Staatsbilanz auf. Und die starke Abwertung der argentinischen Währung heisst eben für den Staat, der teilweise auch in Dollars verschuldet ist, dass seine Schuldenlast nun angestiegen ist.

Argentinien erlebte um die Jahrtausendwende eine Krise, in der ebenfalls der IWF in die Bresche springen musste. Wiederholt sich das jetzt?

Ähnlich wie damals ist die Währung unter starkem Druck, weil die Glaubwürdigkeit der Staatsfinanzen angeschlagen ist. Aber ein wesentlicher Unterschied zu damals ist, dass damals die Wirtschaft aus einer längeren Rezession kam, hohe Arbeitslosenzahlen aufwies und generell an Wettbewerbsfähigkeit verloren hatte. Dieses Problem hat man im Moment nicht. Die Wirtschaft ist strukturell gut aufgestellt und die Exporteure sind durchaus sehr wettbewerbsfähig auf den Weltmärkten.

Damals waren die Hilfskredite an Sparmassnahmen gebunden, die die Bevölkerung hart trafen. War es nicht heikel, dass Präsident Macri erneut beim IWF anklopft?

In der Tat. Die Anrufung des IWF war natürlich für Argentinien innenpolitisch ein Trauma, weil es an 2001 erinnerte. Man muss aber sagen, dass der IWF im Vergleich zu früher auf eine ganzheitlichere Sicht bei der Krisenbewältigung setzt. Natürlich sind mit diesen Krediten immer Reformpakete verbunden. Das ist auch sinnvoll. Aber man berücksichtigt, dass die Implementation dieser Reformen kurzfristig mit Augenmass geschehen muss, weil sehr starke Sparmassnahmen kurzfristig eine Rezession verstärken können.

Die Anrufung des IWF war für Argentinien innenpolitisch ein Trauma.
Autor: Reto Föllmi

Was muss der Präsident nun tun?

Die Regierung Macri erbte eine Wirtschaft, die stark von Staatsinterventionen geprägt war: Subventionen für Energie, für Transport, spezifische Steuern für einzelne Branchen. Es ist sehr schwierig, ein solches System schnell zu ändern. Man muss mit Augenmass vorgehen. Und ich kann sogar nachvollziehen, dass die Regierung Macri jetzt wieder versucht, die Staatskasse zu füllen, indem sie die Landwirtschaftsproduzenten, die dank der schwachen Währung viel im Ausland verdienen, kurzfristig zur Kasse bittet. Entscheidend wird sein, ob sie die Reformagenda in Zukunft glaubwürdig weiterverfolgen kann.

Wie könnte sich die Situation entwickeln?

Argentinien ist in den nächsten Tagen auf einer sehr steilen Gratwanderung. Verliert Argentinien das Vertrauen der Märkte, tritt dies eine Negativspirale in Gang: Die Zinsen steigen weiter, Argentinien verliert noch mehr Glaubwürdigkeit und noch mehr innenpolitischen Support, sodass am Ende ein möglicher Staatsbankrott steht. Gelingt es Argentinien hingegen mit dem IWF Vertrauen zu gewinnen, wird die Währung stabilisiert und die Zinsen werden wieder auf ein erträgliches Mass zurückkommen, das der argentinischen Wirtschaft natürlich guttut.

Das Gespräch führte Stefanie Knoll.

Trump will helfen

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US-Präsident Donald Trump hat seinem argentinischen Kollegen Mauricio Macri bei der Bewältigung der Finanzkrise in dem südamerikanischen Land die Unterstützung der USA zugesichert. Er habe am Dienstagmorgen (Ortszeit) mit Macri gesprochen. Trump habe Vertrauen in die Führungsqualitäten Macris. Der US-Präsident befürworte und unterstütze seine Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), um Argentiniens Geld- und Wirtschaftspolitik zu stärken und gegenwärtige Herausforderung für das Land zu meistern.

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