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Kein Gastrosterben Restaurants suchen Personal – trotzdem nimmt Zahl der Betriebe zu

Ist die Gastronomie in der Krise? Nicht unbedingt. Seit drei Jahren gibt es mehr Gründungen als Schliessungen. Allerdings: Traditionsbeizen in kleineren Gemeinden leiden stark unter dem Fachkräftemangel.

Das Schloss Oberberg in Gossau (SG) ist ein Wahrzeichen in der Region. Zwölf Jahre haben die früheren Pächter hier ihre Gäste kulinarisch verwöhnt. Doch nun ist Schluss – vorläufig jedenfalls.

Dominik Eisenegger, Präsident des Fördervereins Schloss Oberberg, sagt: «Wir haben leider nur eine Lösung für eine sehr kurze Zwischennutzung.» In vier Monaten müsse bereits ein neuer Pächter her – dann vorzugsweise für einen längerfristigen Zeitraum.

Wir haben nur eine Lösung für vier Monate.
Autor: Dominik Eisenegger Präsident Förderverein Schloss Oberberg, Gossau (SG)

Der Präsident macht insbesondere den akuten Fachkräftemangel dafür verantwortlich, dass sich die Suche schwierig gestaltet: «Die Gastronomen haben im Moment keinen Mut, etwas Neues zu beginnen. Sie zweifeln, ob sie das Personal dafür zusammenbringen», beobachtet Eisenegger.

Kein Gastrosterben auf breiter Front

Ein Blick ins Handelsregister zeigt jedoch: In den letzten drei Jahren gab es insgesamt jeweils deutlich mehr Gründungen als Schliessungen in der Gastronomie. Wie kommt das? Die Chefredaktorin des Magazins «Salz & Pfeffer», Sarah Kohler, stellt fest, dass fehlendes Fachpersonal vor allem in ländlichen Gegenden ein Problem sei: «Ich glaube, man darf nicht von einem Gastrosterben an sich reden, sondern eher von einem Beizensterben.»

2018 2019 2020 2021 2022
Schliessungen 1451 1795 1514 1437 1517
Gründungen 1526 1672 1858 2049 2072

Für das insgesamt wachsende Angebot macht Kohler den Strukturwandel in der Branche verantwortlich. Die Gastronomie werde immer diverser. Da würden nicht nur Land- und Quartierbeizen dazugehören, sondern auch Gourmet-Tempel, Pizzakuriere, Takeaways, die mobile Gastronomie oder eine Betriebskantine. Insgesamt gesehen gebe es kein Sterben.

Vor allem in den Städten scheint das Angebot eher zu- als abzunehmen. Das stellt auch Gastrosuisse gegenüber SRF klar: «Auf die gesamte Branche ist der Begriff ‹Gastrosterben› nicht zutreffend.» Die Anzahl Betriebe habe sich, wie oft fälschlicherweise herumgereicht, mit den Corona-Massnahmen nicht verändert. «Die Zahl der Mitglieder im Verband ist stabil.»

Neue Betriebe wie «Ghost Kitchens» entstehen

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Mit ein Grund für die Entwicklung ist, dass in den letzten Jahren zahlreiche neue Gastrokonzepte entstanden sind. Chefredaktorin Sarah Kohler sagt dazu: «Die Pandemie hat dazu geführt, dass die Leute sich etwas liefern lassen und etwas holen gehen. Das sieht man gut am Beispiel der sogenannten Ghost Kitchens.» Ghost Kitchens sind Küchen, die nur noch ausliefern, was sie produzieren. Das Erlebnis im Restaurant entfällt. Ein Trend, der während Corona auch in der Schweiz angekommen sei und wohl andauern werde.

Im Gegensatz zu klassischen Restaurants sind neuere Gastrokonzepte wie Ghost Kitchens weniger stark vom Fachkräftemangel betroffen. Zwar brauchen auch diese Personal für die Zubereitung und Lieferung der Speisen. Doch das Betreuen der Gäste entfällt. Velokuriere, die im Gegensatz zu qualifiziertem Service-Personal keine Fachausbildung benötigen, springen in die Bresche. Diese sind auf dem Arbeitsmarkt vergleichsweise leichter zu finden.

Den Randregionen fehlen Fachkräfte

Traditionelle Betriebe hingegen sind auf Fachkräfte angewiesen. Diese sind besonders in eher abgelegeneren Regionen kaum zu finden. Deswegen geben auch die Betreiber des Restaurants «Casa Fausta Capaul» in Brigels (GR) nach drei Jahren auf. Das Wirtepaar Tobias Lechmann und Selina Lechmann-Albrecht hätte sich neben dem Betrieb mehr Familienzeit gewünscht. «Einen Stellvertreter für meine Frau suchen wir eigentlich schon, seit wir geöffnet haben», sagt Tobias Lechmann.

Die Schichtarbeit und eher niedrige Löhne waren neben der Lage des Restaurants vermutlich die grössten Hindernisse bei der Suche. Sich dessen bewusst, bot das Wirte-Ehepaar grosszügige Arbeitsbedingungen an – wie beispielsweise acht Wochen Ferien. Ohne Erfolg. Bewerbungen seien kaum eingegangen und man sei noch immer gleich weit wie vor drei Jahren.

Das «Casa Fausta Capaul» ist in der Region beliebt, die Geschäftszahlen sind gut. Doch die Gesamtrechnung geht für das Wirtepaar nicht mehr auf. «Ansonsten müsste jemand von uns permanent von morgens bis abends in der Küche stehen.»

Das sei es ihnen nicht wert, so Tobias Lechmann. Ob der Betrieb in der ältesten Gaststätte des Dorfes mit neuen Betreibern weitergehen kann, ist offen. Die Suche nach einem Nachfolger läuft.

10 vor 10, 10.01.2023, 21:50 Uhr

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