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Klärungsbedarf Nach CS-Debakel: Darum kommuniziert die Finma jetzt so offensiv

Die üblicherweise zurückhaltend kommunizierende Aufsichtsbehörde sucht die Öffentlichkeit. Woher kommt der Redebedarf?

Kommunikationsoffensive der Finma: Eine entscheidende Rolle bei der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat die Finma gespielt, die Finanzmarkt-Aufsicht des Bundes. Nun hat sie Medien überraschend zu einem Gespräch geladen, um über ebendiese Rolle zu reden. Ein spezieller Vorgang, wie Charlotte Jacquemart sagt, die für SRF an dem Anlass dabei war. Der Grund: Normalerweise lässt es das Recht kaum zu, dass Aufsichtsbehörden derart offen über ihr Handeln informieren können.  

Finma-Direktor Urban Angehrn (links) und Verwaltungsratspräsidentin Marlene Amstad (rechts).
Legende: Zum Mediengespräch luden Finma-Direktor Urban Angehrn (links) und Verwaltungsratspräsidentin Marlene Amstad (rechts). Keystone/Anthony Anex

Doch woher kommt der plötzliche Erklärungsbedarf der Bundesbehörde? «Die Krise um die CS ist historisch so aussergewöhnlich, dass die Verantwortlichen der Finma entschieden haben, dass in diesem Fall ausführlichere Erklärungen erlaubt sein müssen. Zumal sich die Finma viele Vorwürfe gefallen lassen muss», so die Wirtschaftsredaktorin von SRF.

Minutiöse Rekapitulation der Ereignisse: Die Finma-Spitze verteidigte die Übernahme der CS durch die UBS als beste Lösung – und rekapitulierte vor den Medien die geschichtsträchtigen Ereignisse. Wollte sich die viel kritisierte Aufsichtsbehörde vor den Medien in Bern reinwaschen? «Das wirkte nicht so», sagt Jacquemart. «Die Finma hat ausführlicher als sonst erlaubt darüber informiert, was sie als Aufsichtsbehörde in den letzten Jahren alles bei der CS angeordnet hat – und die Liste dieser Anordnungen und Verfügungen gegen die Bank ist lang.»

Mega-Fusion am 19. März laut Finma alternativlos

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CS und UBS am Paradeplatz in Zürich
Legende: In der Schweiz entsteht durch die Fusion der CS mit der UBS eine neue Megabank. Keystone/Michael Buholzer

Die CS habe ihre Behörde seit längerem beschäftigt, wie die Finma-Verwaltungsratspräsidentin Marlene Amstad sagte. Die Aufsicht veröffentlichte sechs Durchsetzungsverfahren gegen die Bank, an und für sich schon aussergewöhnlich. «Die Finma hat schon letzten Sommer alle behördenübergreifenden Gremien aktiviert, die vorgesehen sind, wenn eine grosse Bank in Schieflage gerät», fasst Wirtschaftsredaktorin Charlotte Jacquemart zusammen. «Diese Gremien haben die CS fast täglich begleitet.»

Im vierten Quartal 2022 verschärfte sich die Situation des skandalgebeutelten Instituts durch einen Geldabfluss von 138 Milliarden Franken. Der Zusammenbruch zweier US-Regionalbanken liess die Lage im März eskalieren. Krisenmechanismen standen während der ganzen Zeit bereit, sagte Amstad. Am 19. März sei dann nichts anderes mehr als die Fusion in Frage gekommen. Konkurs und Sanierung nach «too big to fail»-Regeln hätten einen Domino-Effekt auslösen können. Ein Flächenbrand und eine globale Finanzkrise hätten gedroht.

Das Versagen der Grossinvestoren: Doch hätte die Finma mehr tun können, als die Lage im März eskalierte? «Aufsichtsrechtlich nicht», sagt Jacquemart. Für sie wird stattdessen ein wesentlicher Aspekt in den Diskussionen rund um das CS-Debakel zu wenig diskutiert: «Wir leben in einer kapitalistischen Marktwirtschaft und die CS hat Eigentümer, nämlich die Aktionärinnen und Aktionäre. Sie wären in der Pflicht gestanden, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung zu disziplinieren.» Ebendies sei nicht passiert.

Die Eigentümer hätten schlichtweg versagt, urteilt Jacquemart. «Die Kleinaktionäre haben sich zwar jeweils an den Generalversammlungen gegen das Gebaren der Chefs gewehrt, die Macht liegt aber bei den Grossinvestoren.» Entsprechend gross sei an der GV vom Dienstag auch die Wut der «Kleinen» auf die «Grossen» gewesen.

Profiteure des Casino-Kapitalismus: Doch warum liessen die Profi-Investoren zu, dass sich die CS in eine derart prekäre Lage manövrierte? «Salopp gesagt profitieren viele Grossinvestoren dieser Welt wie Fonds vom gleichen Casino-Kapitalismus wie die Grossbanken», so Jacquemart. «Man geht hohe Risiken ein, macht hohe Gewinne und wird reichlich belohnt.» Profi-Investoren hätten ebenso wenig Interesse daran wie Grossbanken, dieses Casino zu stoppen.

Finma möchte Bussen verhängen können: Die Finma fordert nach der Notübernahme der CS zusätzliche Kompetenzen. Wie andere wichtige Aufseher will auch die Finma künftig bei Verfehlungen von Instituten Strafen verhängen können.

Finma-Logo
Legende: «Die Finma besitzt keine Bussenkompetenz – sie ist damit im Vergleich mit anderen grossen Finanzplätzen eine Ausnahme», sagte Verwaltungsratspräsidentin Amstad. Keystone/Peter Klaunzer

Ob solche Sanktionsmöglichkeiten den Kollaps der CS hätten verhindern können, bleibt Spekulation. «Wenn man den CS-Chefs in der Vergangenheit mit hohen Bussen hätte drohen können, wären sie das eine oder andere Risiko aber womöglich nicht eingegangen», schliesst Jacquemart. «Denn in diesem Fall hätten sie persönlich dafür gehaftet.»

Rendez-vous, 05.04.2023, 12:30 Uhr ; 

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