Wäre das Ende der Credit Suisse zu verhindern gewesen? Bei dieser Diskussion steht aktuell auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) im Fokus. Diese hatte die CS in den vergangenen Jahren immer wieder gerügt, was letztlich wenig genützt hat. Eine dezidierte Meinung zur Rolle der Finma hat die emeritierte Professorin und Compliance-Spezialistin Monika Roth. Sie sagt, der Untergang der CS sei auch ein Versagen der Finanzmarktaufsicht.
SRF News: Frau Roth, was werfen Sie der Finma denn genau vor?
Monika Roth: Die Finma hat bei der CS viel zu lange zugeschaut. Seit zehn Jahren folgt Skandal auf Skandal. Und eigentlich sind diese Skandale immer auf die gleichen Grundursachen zurückzuführen: grobe Organisationsmängel und falsche Anreizsysteme. Die Finma sagt, sie habe sechs Enforcement-Verfahren (siehe Box) durchgeführt – das ist ja nur ein Viertel des Kuchens. Schaut man auf all die Verfahren im Ausland, sieht man, dass die Geschichte der CS vor allem eine Justizgeschichte geworden ist. Und hier hätte die Finma viel früher bei der CS-Führung intervenieren müssen – und das hat sie nicht getan.
In einem Interview mit dem «Tagesanzeiger» sagte Finma-Chef Urban Angehrn, es gebe halt keine Vollkaskoaufsicht, die jeden Unfall vermeidet.
Diese Formulierung habe ich auch gelesen. Das ist natürlich eine Bagatellisierung der Sache. Das ist das Argument, mit dem man beruhigen und abwimmeln wird. Fakt ist aber: Es geht hier nicht um eine Vollkaskoversicherung, sondern um eine systemrelevante Bank, die in den letzten Jahren im Ausland zwölf Milliarden an Bussen bezahlt hat. Die Folgen dieses Geschäftsgebarens trägt nun vor allem der Steuerzahler.
Die Politik hat es versäumt, die Finma besser aufzustellen.
In besagtem Interview sagt Angehrn auch, die Finma habe im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles getan. Er spielt den Ball also zurück an die Politik. Hat es die Politik nach der Bankenkrise 2008 verpasst, schärfere Regeln und eine stärkere Behörde aufzustellen?
Ja, das hat die Politik versäumt. Und man muss natürlich feststellen, dass die aktuelle Empörung von gewissen Politikern und Parteien übertüncht, was sie vorher angerichtet haben, als die Finma gegründet wurde. Damals ging es ja genau um die Ausgestaltung der Finma und um ihre Kompetenzen. Und auch um Sanktionen.
Als die damalige Vorgängerorganisation EBK Sanktionen wie Bussen vorgeschlagen hatte, machte die Finanzwelt fast den Kopfstand vor Empörung, gefolgt von der Politik – entsprechende Begehren wurden versenkt. Auch die Frage der Unabhängigkeit der Finma und ihre konkreten Aufgaben standen immer wieder im Raum. Man kann unmöglich eine Aufsichtsbehörde noch mit der Pflicht in Verbindung bringen, dass sie den Finanzplatz fördern und Standortpolitik machen soll. Das widerspricht sich im Kern. Das hat die Politik zu verantworten.
Die Finma braucht die Kompetenz, Bussen auszustellen.
Was braucht die Finma, um einen Fall CS in Zukunft verhindern zu können?
Man muss die Finma anschauen. Auch die Frage stellen, wie die Aufsicht genau ausgestaltet ist. Und die Finma braucht sicher eine Bussenkompetenz – sowohl gegenüber Unternehmen als auch gegenüber Senior Managern, also dem Führungspersonal. Dann braucht sie auch die Kompetenz, bei Individuen Gewinne aus schweren aufsichtsrechtlichen Verstössen einzufordern. Hier rede ich von Boni, die verknüpft sind mit dem entsprechenden Handeln. Dann bin ich auch der Meinung, dass die Finma bezüglich der Anreize generell mit besseren Kompetenzen ausgestaltet werden muss und dass sie diese dann auch nutzen sollte.
Das Gespräch führte Raphael Günther.