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Lähmende Unsicherheit Weshalb diese Industrie-Krise aussergewöhnlich ist

Die Umsätze der Schweizer Tech-Industrie sind das achte Quartal in Folge gesunken. Fragen und Antworten zur Krise.

Worum geht es? Die Schweizer Tech-Firmen stehen unter Druck. Schon letztes Jahr sanken die Umsätze in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie um fast 5 Prozent. Dieses Jahr geht es im gleichen Stil weiter, mit einem Minus von 3 Prozent im ersten Quartal. Damit haben sich die Umsätze laut dem Branchenverband Swissmem zum achten Mal in Folge reduziert. Die Kapazitätsauslastung in den Betrieben sei auf 81.1 Prozent gefallen und liege damit deutlich unter dem langjährigen Mittelwert von 86 Prozent.

Was sind die Gründe für die Krise? Schon letztes Jahr haben die Schweizer Industriebetriebe unter der schwachen Konjunktur im wichtigsten Absatzland Deutschland gelitten. Hinzu kommt nun die unberechenbare Politik der USA in Sachen Zölle. Auch der andauernde Krieg in der Ukraine und die schleppende Konjunktur in China spielen eine Rolle. «Wir spüren die allgemeine Investitionsunsicherheit, die jetzt seit längerer Zeit andauert», sagt Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor von Swissmem. Langsam gehe es den Firmen an die Substanz, und Besserung sei nicht in Sicht: «Die Indikatoren deuten darauf hin, dass der Kriechgang sich fortsetzt.»

Was macht diese Krise speziell? «Eine so lange andauernde Investitionsschwäche ist schon recht ungewöhnlich», sagt Klaus Abberger von der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich. Sie könne dazu führen, dass sich Investitionen in neue Technologien – darunter auch ressourcenschonende Technologien – aufstauten. Es wäre wichtig, dass sich so ein Stau wieder auflöst, so Abberger, «aber die Unsicherheit ist so gross im Moment, dass die Unternehmen eher abwarten».

Eine so lange andauernde Investitionsschwäche ist schon recht ungewöhnlich.
Autor: Klaus Abberger Ökonom Konjunkturforschungsstelle KOF

Wie ist der Stand punkto US-Zölle? Die im April angekündigten Zölle von 31 Prozent auf Schweizer Waren wurden für 90 Tage ausgesetzt – also bis voraussichtlich Anfang Juli. Die Schweiz ist zwar eines von 15 Ländern, mit denen die USA eine Lösung in der Zollfrage finden wollen. Doch wie diese aussehen könnte, ist noch offen. Klar ist laut Swissmem-Vizedirektor Kohl: Können die Zölle von 31 Prozent nicht wegverhandelt werden, «wird ein Teil des US-Marktes wegbrechen und die Firmen sind dann gezwungen, sich neu zu orientieren, neue Produkte zu entwickeln und insbesondere in neue Märkte zu gehen».

Welche neuen Märkte könnten das sein? Im Moment senden die meisten Märkte laut Swissmem keine guten Signale aus, mit Ausnahme von Indien. Umso wichtiger sei es, den Marktzugang zu asiatischen oder südamerikanischen Märkten zu erleichtern, und zwar idealerweise über Freihandelsabkommen wie jenes, das gerade mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay ausgehandelt wird. Diese Abkommen würden den Marktzugang erleichtern, so Kohl. «Es ist natürlich nachher die Aufgabe der Firmen, selber dort Fuss zu fassen.»

Wie geht es für die Schweizer Firmen nun weiter? Neben den neuen Handelsabkommen brauche es eine Ausdehnung der Kurzarbeit auf 24 Monate, fordert Swissmem. KOF-Experte Abberger bestätigt, dass die Firmen ihre technischen Kapazitäten, aber auch die Arbeitspensen schon länger nicht voll ausnützten. Doch es gebe durchaus auch positive Signale: «Die politische Unsicherheit, etwa bei unseren Nachbarn in Deutschland, hat abgenommen. Es wurden Investitionspakete geschnürt, in Deutschland, aber auch in Europa insgesamt, sodass eigentlich schon auch ein positives Momentum vorhanden ist.» Die Industrie solle das Jahr deshalb noch nicht ganz abschreiben.

Tagesschau, 20.5.2025, 19:30 Uhr;stal;sten

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