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Missbräuchliche Konkurse Ständerat stimmt Massnahmen gegen Konkursreiterei zu

  • Bei der Konkursreiterei werden marode Unternehmen übernommen und ausgeschlachtet, bis diese Konkurs anmelden müssen.
  • Geldgeber, Kundinnen und Lieferanten – aber auch oft staatliche Kassen wie etwa die AHV – werden dabei um ihr Geld geprellt.
  • Der Bund will das Gesetz verschärfen, damit das weniger oft vorkommt. Der Ständerat befasste sich am Montag als Erstrat damit.

Die Pandemie hat das Problem der Konkursreiterei verschärft. Letztes Jahr gewährten Banken für Milliarden von Franken staatlich garantierte Covid-Kredite. Das half manch einer unbescholtenen Firma über die Runden.

Doch profitiert haben auch Kriminelle, bestätigt Senad Sakic von der Abteilung Wirtschaftsdelikte der Zürcher Kantonspolizei. «Bereits jetzt haben wir einige Fälle, bei denen im Bereich der Konkursreiterei Covid-Kredite beantragt und auch ausbezahlt wurden.» Das illegale Geschäftsmodell der Konkursreiterei wird seit Jahren praktiziert. Oft sind es Handwerksbetriebe und Kleinfirmen, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

Firmenbestatter bereichern sich

In der Not überlassen sie ihr marodes Unternehmen einem sogenannten Firmenbestatter. Der verlegt den Firmensitz in einen anderen Kanton, sodass das Betreibungsregister wieder unverdächtig erscheint. Es werden Kredite aufgenommen, teure Autos und Smartphones angeschafft, ohne sie zu bezahlen. Beim Konkurs ist von der Firma am Ende nichts mehr zu holen.

Bereits jetzt haben wir einige Fälle, bei denen im Bereich der Konkursreiterei Covid-Kredite beantragt und auch ausbezahlt wurden.
Autor: Senad Sakic Kapo Zürich, Abteilung Wirtschaftsdelikte

Auch die AHV und die Steuerbehörden sehen nie etwas von den geschuldeten Geldern. Mit 2500 Konkursdelikten seit 2015 hätten es die Zürcher Ermittler zu tun gehabt, so Sakic. Jährlich gingen dreistellige Millionenbeträge verloren.

Verbote werden nicht durchgesetzt

Die Politik hat die Konkursreiterei ebenfalls im Visier. Der Bund hat ein Gesetzespaket geschnürt. Kernstück ist es, Missetäter nach einer Verurteilung konsequenter aus dem Verkehr zu ziehen. Bereits heute kann ein Gericht Konkursrittern zwar ein Tätigkeitsverbot von bis zu fünf Jahren aufbrummen. Dennoch bleiben immer wieder welche im Handelsregister eingetragen, weil das Tätigkeitsverbot mangelhaft umgesetzt wird.

Ein besseres Meldeverfahren zwischen den Amtsstellen soll Abhilfe schaffen. Doch nach Meinung von Experten bringt dies allein zu wenig, sagt Sakic von der Kapo Zürich. «Die Vorlage greift zum Teil zu kurz.» Trotz vieler Fälle von Konkursreiterei sprechen die Gerichte nämlich nur selten Tätigkeitsverbote aus, erklärt der Ermittler. Das bestätigt Rechtsexperte Damian Graf, Staatsanwalt für Wirtschaftskriminalität des Kantons Nidwalden.

Ständerat stimmt für Gesetzesänderung

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Legende: Keystone

Im Kampf gegen den betrügerischen Konkurs hat der Ständerat als Erstrat zusätzliche Massnahmen ins Spiel gebracht. Neben der strikteren Durchsetzung des Tätigkeitsverbots, wie sie der Bund vorsieht, sollen auch Anteile von faktisch Pleite gegangenen Unternehmen nicht mehr verkauft werden dürfen.

Ebenso soll der rückwirkende Austritt aus der Revisionspflicht, das sogenannte Opting-out, abgeschafft werden. Die kleine Kammer will auch die Hürden für Konkursverschleppung und Missbräuche erhöhen. Er hat einer entsprechenden Motion seiner Rechtskommission zugestimmt. Der Ständerat hat dem Gesetzespaket mit 41:1 Stimmen bei 2 Enthaltungen deutlich zugestimmt. Nun ist der Nationalrat am Zug. (sda)

«Die Vorlage ist sicherlich gut gemeint», sagt er. «Es gibt aber ein vorgelagertes Problem, und zwar, dass Tätigkeitsverbote in der Praxis nur sehr selten ausgesprochen werden. Gemäss Statistik gab es in den letzten Jahren nur durchschnittlich sieben oder acht Fälle pro Jahr.» Allein das Tätigkeitsverbot besser durchzusetzen, genügt also nicht.

Es geht auch um viel Geld. «Wenn eine Gesellschaft in Konkurs fällt, so kann es schnell zu grösseren Ausfällen kommen», sagt Graf, der an der Universität Zürich Strafrecht lehrt. «Und diese Verluste müssen teilweise private Gläubiger tragen, aber eben zu einem grossen Teil auch die Kantone und der Staat wegen Steuerausfällen und AHV-Beiträgen, die nicht bezahlt wurden. Davon sind wir alle betroffen.» Keine Frage: Handlungsbedarf besteht.

Echo der Zeit, 31.05.2021, 18:00 Uhr

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