Die Schäden wegen Unwettern, welche die Mobiliar-Versicherung bezahlen musste, waren in den letzten drei Jahren zwei- bis sechsmal so hoch wie budgetiert. Noch grössere Sorgen macht sich Mobiliar-Chefin Michèle Rodoni aber wegen Top-Risiken wie Erdbeben. Solche Schäden wären überhaupt nicht gedeckt.
SRF News: In der Schweiz kann man die Haustiere gegen Krankheit versichern, den Hausrat, beim Auto ist die Versicherung obligatorisch – aber Sie benennen sogenannte Top-Risiken, die nicht versichert sind?
Michèle Rodoni: Wir sehen, dass es Risiken gibt, die einfach nicht gedeckt sind. Und wir sind überzeugt – als Versicherungswirtschaft und als Mobiliar –, dass wir Lösungen brauchen. Das haben wir etwa erlebt mit Covid. Die Pandemie war eine Überraschung, Wirtschaft und Politik mussten sehr schnell reagieren.
Für Erdbeben hätten wir eine Lösung, die morgen umgesetzt werden könnte.
Wir als Versicherungsgesellschaft müssen daraus lernen, dass wir uns proaktiv vorbereiten müssen. Für Erdbeben etwa hätten wir eine Lösung, die morgen umgesetzt werden könnte. Kern wäre der bereits existierende Elementarschadenpool. Dieser deckt bereits neun Risiken wie Lawinengefahr oder Überschwemmungen. Dort könnten wir einfach neu auch Erdbeben dazuzählen.
Ist die Erdbebengefahr nicht vor allem im Wallis, in Graubünden und Basel am grössten?
Nein. Zwar würde dort wohl das Epizentrum liegen, doch die Folgen wären womöglich bis nach Genf oder Zürich zu spüren. Dort könnten grosse Schäden verursacht werden. Die Rückversicherer publizieren regelmässig solche Einschätzungen. Demnach müsste bei einem Extrem-Erdbeben in der Schweiz mit Milliardenschäden gerechnet werden. Und derzeit sind rund 85 Prozent der Gebäude in der Schweiz ohne Versicherung.
Bräuchte es aus Ihrer Sicht ein Obligatorium für eine Erdbebenversicherung?
Das ist der einzige Weg, um die Prämien so tief wie möglich zu halten. Es braucht eine Partnerschaft zwischen der Versicherungsbranche und der Politik. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Die Prämien, die heute für die Elementarschadenversicherung anfallen, werden durch die Finanzmarktaufsicht Finma festgelegt.
Mögliche Cyberangriffe sind für unser Land ein grosses Thema.
Der Bundesrat schlägt eine andere Art der Versicherung vor , eine sogenannte Eventualverpflichtung. Das heisst, die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer müssten erst im Falle eines Erdbebens nachträglich für den Wiederaufbau bezahlen. Dies lehnen Sie ab?
Das ist eine Lösung, die nicht dem Motto «vorbeugen ist besser als heilen» entspricht. Denn es ist eine Lösung im schlimmsten Moment, wenn etwas passiert. Wir finden es besser, proaktiv Jahr für Jahr dafür zu sorgen, dass Mittel zur Verfügung stehen, wenn etwas passiert.
Ihre Branche zählt auch andere grosse Risiken auf, welche in der Schweiz nicht gedeckt sind. Beispielsweise Cyberangriffe oder eine weitere Pandemie. Sie fordern auch da Lösungen?
Mögliche Cyberangriffe sind für unser Land ein grosses Thema. Wir plädieren dafür, dass wir auch hier proaktiv sind und eine Partnerschaft zwischen Versicherungsbranche und Politik machen. Wir sollten uns vorbereiten – und hoffen, dass der Angriff nicht passiert.
Braucht es dazu einen runden Tisch?
Ja. Die Politik und die Versicherungsbranche sollen sich an einen Tisch setzen und gemeinsam überlegen, was die besten Lösungen für die Schweiz sind.
Das Gespräch führte Karoline Arn.