ie Credit Suisse spürt die Auswirkungen des US-Hedgefonds-Debakels vom März auch im zweiten Quartal. Die Grossbank hat dazu nun einen Bericht veröffentlicht. Im Bericht werden diverse Mängel eingeräumt, die CS sieht aber kein betrügerisches oder rechtswidriges Verhalten von Angestellten.
SRF News: Thomas Gottstein, welchen Schaden hat der Fall Archegos bei der Credit Suisse hinterlassen?
Thomas Gottstein: Wir haben insgesamt 5 Milliarden Franken Verlust gehabt wegen dieses Vorfalls. Trotzdem ist es uns gelungen, wieder in die Profitzone zu kommen. Das zeigt, dass unser operatives Geschäft sehr gut läuft. Und was das Wichtigste für uns ist: Das harte Eigenkapital liegt bei 13.7 Prozent. Das ist der höchste Stand seit mehreren Jahren.
Die Bank hat im zweiten Quartal einen Abfluss von Kundengeld in der Höhe von 4.7 Milliarden Franken verzeichnet. Auch dies Nachwehen der jüngsten Skandale?
Es war sicher so, dass wir aufgrund der Schwierigkeiten, die wir hatten, insbesondere in den Monaten April und Mai gewisse Geldabflüsse sahen. Wir haben diese zum Teil auch proaktiv provoziert, nachdem wir unser Kreditbuch nochmals analysiert hatten. Wenn man aber die gesamten sechs Monate dieses Jahres anschaut, so hatten wir Nettoneugeld von 24 Milliarden. Also ein positives erstes Halbjahr.
Wenn man sich in der Branche umhört, heisst es, die Credit Suisse verliere derzeit auffällig viele wichtige Angestellte. Diese würden der Bank nach den jüngsten Ereignissen den Rücken kehren. Stimmt das?
Die Fluktuation hat allgemein zugenommen nach der Pandemie 2020. Aber es ist effektiv so, dass wir bei den Managing Directors mehr Fluktuation gesehen haben als in vergangenen Jahren. Wir hatten einen 5-Milliarden-Verlust und wollen, dass die Leute Solidarität mit den Aktionären zeigen. Wir werden dieses Jahr nicht so hohe Boni zahlen wie andere Banken. Da müssen wir gewisse Abgänge in Kauf nehmen. Wir werden diese ersetzen mit internen und externen Talenten.
Wir werden dieses Jahr nicht so hohe Boni zahlen wie andere Banken. Da müssen wir gewisse Abgänge in Kauf nehmen.
Man hört auch, dass die Credit Suisse wichtigen Angestellten einen sogenannten «Retention Bonus» bezahlt, also einen zusätzlichen Bonus, damit diese Leute bleiben. Können Sie das bestätigen?
Ja, solche Boni wurden offeriert. Aber wir sind momentan in einem Markt, wo die Konkurrenz sehr aggressiv ist. Das müssen wir jetzt in Kauf nehmen und die nötigen Massnahmen treffen.
Sie haben den Vorfall rund um Archegos untersuchen lassen. Zu welchem Schluss kommt diese Untersuchung? Was ist schiefgelaufen?
Im Wesentlichen handelt es sich hier um menschliches Versagen. Limiten wurden nicht eingehalten. Es wurde nicht eskaliert. Und die Überwachung im Investment Banking und im Risk Management war nicht so, wie sie hätte sein sollen.
Im Wesentlichen handelt es sich hier um menschliches Versagen. Limiten wurden nicht eingehalten.
Sind dafür Fehlanreize für die Angestellten schuld?
Das kann man nie ausschliessen. Wir überprüfen das. Aber unser Anreizsystem ist dasselbe wie dasjenige bei unserer Konkurrenz. Es ist kein Credit-Suisse-spezifisches Problem. Es war, wie gesagt, menschliches Versagen in einem relativ überschaubaren Team.
Das Gespräch führte Andi Lüscher.