Landen zurückgeschickte Kleider tatsächlich in der Müllverbrennung, wie oftmals zu hören ist? In Frankreich würden jährlich neuwertige Produkte im Wert von 630 Millionen Euro vernichtet – darunter bis zu 20'000 Tonnen neue Kleider.
Das besagt ein französischer Regierungsbericht vom Januar. In Deutschland würden vier Prozent der Retouren aus dem Online-Handel vernichtet, das wären rund zehn Millionen Paketsendungen. Das ergab eine Studie der Uni Bamberg 2018.
Gute Schätzungen für die Schweiz gibt es nicht. «Im Online-Versandhandel werden so um die 40-45 Prozent der Kleider zurückgesandt. Es ist aber nicht das Ziel, Kleider zu vernichten», erklärt Patrick Kessler, Direktor beim Verband der Schweizer Versandhäuser. «Jedes Unternehmen hat das Ziel, diese Kleider zu verkaufen und im Kreislauf zu halten.»
Zalando vernichtet 0.05 Prozent aller Artikel
So und ähnlich klingt es auch bei den Grossen im internationalen Geschäft. Die Pressestelle des europäischen Marktführers Zalando etwa schreibt: «Grundsätzlich vernichten wir Waren nur in seltenen Ausnahmefällen, etwa wenn dies aus gesundheitlichen Gründen wie Schädlingsbefall notwendig ist. Dies betrifft etwa 0.05 Prozent aller Artikel.»
Grundsätzlich vernichten wir Waren nur in seltenen Ausnahmefällen.
0.05 Prozent – das sind europaweit 75'000 Zalando-Pakete, die pro Jahr im Müll landen. Auch andere Unternehmen wie H&M, About You oder Mango betonen auf Anfrage, dass der grössere Teil der Retouren entweder im Outlet verbilligt verkauft, gespendet oder rezykliert werde. Nur ein minimaler Anteil – weniger als ein Prozent – lande in der Müllverbrennung. Das sind alles Angaben, die sich nicht überprüfen lassen – und die im Widerspruch zu den obgenannten, viel höheren Zahlen und Schätzungen stehen.
Für Patrick Kessler steht deshalb fest: «In Deutschland wird – wie auch in Frankreich – zum Teil wirklich Ware vernichtet, weil es günstiger ist, als die Ware zu verkaufen – aufgrund von Mehrwertsteuergesetzgebungen.» Diese würden besagen, dass man Kleider nicht unter dem Einkaufspreis verkaufen darf, so Kessler. Mit einer Gesetzesverschärfung sollen nun Hersteller und Händler stärker in die Pflicht genommen werden.
Vorstoss in der Schweiz hängig
Und in der Schweiz? «Im Moment haben wir keine Gesetzgebung, die explizit die Vernichtung von nicht verkauften, neuwertigen Waren verhindern soll», sagt Rolf Gurtner vom Bundesamt für Umwelt. Aber: «Ein parlamentarischer Vorstoss zu dieser Thematik wurde kürzlich eingereicht und ist noch hängig.»
Im Moment haben wir keine Gesetzgebung, die explizit die Vernichtung von nicht verkauften, neuwertigen Waren verhindern soll.
Die Frage wird also auch hierzulande aktuell: Wie sollen Hersteller, Händler und auch Konsumentinnen und Konsumenten mit Kleidern, die nicht passen, umgehen? Doch bis es eine Regulierung gibt, werden auch weiterhin neuwertige Waren im Abfall landen.