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Pharmagigant im Umbruch Die ewige Baustelle Novartis

Der Pharmakonzern baut in der Schweiz 1400 Stellen ab um Kosten zu sparen – einmal mehr. Der Blick zurück zeigt: Die letzten Jahre waren von ständigen Umbauten geprägt.

Die Mitgliedschaft in der internationalen Championsleague der Pharmaindustrie hat ihren Preis: Konzerne, die sich zu diesem Kreis dazuzählen möchten, müssen stetig wachsen und sind immer auf der Suche nach mehr Effizienz.

Die aktuelle Transformation, in der sich Novartis befindet, ist da keine Ausnahme. Bis 2024 sollen mindestens 1 Milliarde Dollar eingespart werden. Denn der Konzern ist insbesondere in den USA ins Hintertreffen geraten: Die dortige Konkurrenz operiert deutlich agiler und wächst schneller.

Der Blick zurück zeigt: Für Novartis waren die letzten Jahre ein ständiges Auf und Ab. Das lässt sich an drei Faktoren illustrieren:

  • Der Standort Schweiz: Bis 2013 wächst die Mitarbeiterzahl von Novartis ständig. 136'000 Angestellte beschäftigt das Unternehmen weltweit, 15'000 davon in der Schweiz. Der Pharmakonzern gilt als einer der grössten Jobmacher hierzulande. Es gibt Pläne, den mit Prestigebauten bestückten Campus am Basler Hauptsitz noch zu erweitern. Auf das Wachstum folgt allerdings der Abbau: 2025 sollen in der Schweiz noch rund 10'000 Mitarbeiter übrig bleiben, wenn der jüngste Personalabbau vollzogen ist. Am Basler Hauptsitz sorgt das für überschüssige Flächen während Konzernchef Vasant Narasimhan betont, dass die Bedeutung des Standorts Schweiz nicht abnehme. Denn nach den USA ist die Schweiz das zweitbedeutendste Land für Novartis, was die Anzahl Stellen betrifft.
  • Die Konzernspitze: Nach dem Zusammenschluss von Ciba-Geigy und Sandoz zur heutigen Novartis wird Daniel Vasella 1996 erster Konzernchef. Unter ihm herrschen steile Hierarchien und überrissene Löhne bei den Kadern. Analysten werfen Vasella Fehlentscheide vor, die sich jetzt rächen. Insbesondere habe er es versäumt, in die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamententechnologien zu investieren. Auch sein Nachfolger Joe Jimenez hat es nicht geschafft, diese Probleme anzugehen. In den kommenden Jahren laufen bedeutende Patente aus, es droht ein Umsatzloch. Im Februar 2018 übernimmt Vas Narasimhan den CEO-Posten. Er besinnt sich auf das rentable Kerngeschäft und möchte sich unter anderem von Sandoz trennen. Die Umsätze des Generikaherstellers sinken gerade im für Novartis wichtigen US-Markt seit längerem.
  • Die Geschäftszahlen: Der Konzerngewinn schwankt über die Jahre beträchtlich. Plötzliche Gewinnsprünge sind das Resultat einmaliger Verkäufe von Beteiligungen, wie beispielsweise jener an Konkurrent Roche im vergangenen Jahr, der 19 Milliarden Franken einbrachte. Den Umsatz erhöhte Novartis 2021 zwar um 4 Prozent auf knapp 52 Milliarden Franken. Unter den 20 weltgrössten Pharmakonzernen ist allerdings nur ein einziges Unternehmen im selben Jahr noch weniger gewachsen. Und auch die Novartis-Aktie schloss das aussergewöhnlich gute Börsenjahr mit einem Kursverlust ab, während die Konkurrenz teilweise zweistellige Rekordgewinne verzeichnete. In den ersten zwei Jahren nach Amtsantritt von CEO Nahrasimhan hatte der Novartis-Titel noch knapp 30 Prozent zugelegt.

Ob die angekündigten Umstrukturierungen und der Personalabbau Novartis endlich in ruhigere Gewässer steuern lassen, muss sich zeigen. Für einige Analysten könnte die Reorganisation auch Nahrasimhans letzter Strohhalm sein.

Tagesschau, 28.06.2022, 19:30 Uhr

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