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Preise steigen nur langsam Trotz Inflation: In der Schweiz herrscht keine Angst

Die Teuerung in der Schweiz ist im Juli leicht auf 0.7 Prozent gestiegen. Kein Grund zur Sorge, sagt der Ökonom Matthias Geissbühler.

Ein bisschen Inflation ist gut für alle. Denn leicht steigende Preise schieben die Wirtschaft an. Konkret zögern die Konsumentinnen und Konsumenten nicht beim Einkaufen. Sie greifen lieber heute zu als morgen, was dann beispielsweise auch den Detailhandel freut. Zugleich bauen die Firmen die Produktion generell aus und investieren, solange sie dank steigender Preise auf höheren Umsatz hoffen können.

Wenn aber die Teuerung ausser Kontrolle gerät, wird es riskant: Dann verliert das Geld zu rasch an Wert. Die Leute können sich für ihren Lohn immer weniger leisten. Die Preisstabilität ist in Gefahr.

Maximal zwei Prozent Teuerung angestrebt

Für eine vorsichtige Notenbank wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) wäre eine Teuerungsrate über zwei Prozent bereits höchst alarmierend. Aber davon könne keine Rede sein, sagt Matthias Geissbühler, Ökonom und Anlagechef von Raiffeisen Schweiz.

Jahresteuerung beträgt 0.7 Prozent

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Die Jahresteuerung in der Schweiz hat im Juli leicht angezogen. Sie stieg auf 0.7 von 0.6 Prozent im Vormonat. Dabei lag die Jahresteuerung der Inlandgüter bei 0.3 Prozent, Importgüter waren 1.9 Prozent teurer als im Juli 2020. Bei den Importen schlugen vor allem höhere Energiepreise zu Buche.

Im Zuge der Coronakrise und billigerer Ölpreise war die Jahresteuerung im letzten Sommer bis auf -1.3 Prozent gefallen. Seither ging es mehr oder weniger konstant wieder leicht nach oben. Seit April ist der Wert wieder im positiven Bereich.

Dass derzeit die Teuerung merklich zulege, habe vor allem mit den pandemiebedingten Preiseinbrüchen im letzten Jahr zu tun. Weil die Wirtschaftstätigkeit damals global heruntergefahren wurde, gab es auch keine Teuerung oder sogar eine negative.

Jetzt gebe es Aufholbedarf, das seien sogenannte Basiseffekte, beispielsweise bei Rohstoffen. «Doch bei einer Inflation von 0.7 Prozent sind wir in der Schweiz immer noch in einem absolut komfortablen Bereich», betont Geissbühler.

Weltweites Phänomen

Diese Basiseffekte zeigen sich global: Weltweit kosten Energie und Nahrungsmittel, aber beispielsweise auch Mikrochips für die Autoindustrie deutlich mehr, als das noch vor einem Jahr, auf dem Höhepunkt der Coronakrise, der Fall war.

Für die US-Notenbank ist diese Aufholbewegung der Preise im Wiederaufschwung willkommen und auch das Hauptargument, um ihre lockere Geldpolitik fortzuführen.

In der Schweiz sind wir immer noch in einem absolut komfortablen Bereich.
Autor: Matthias Geissbühler Ökonom und Anlagechef von Raiffeisen Schweiz

Ähnlich ist es in Europa. Auch hier herrscht keine Angst vor grassierender Inflation. So lautet die Botschaft der Europäischen Zentralbank (EZB), obschon die Teuerung im Euroraum derzeit bereits zwei Prozent beträgt.

Gefahr durch Lohn-Preis-Spirale?

Grund zur Sorge gäbe es nach Einschätzung vieler Ökonomen aber erst, wenn der Preisauftrieb für längere Zeit massiv zunähme. Das könnte dann zur berüchtigten Lohn-Preis-Spirale führen. «Wenn die Preise steigen und die Löhne daraufhin angehoben werden, kann sich das wie eine Spirale nach oben drehen», sagt Raiffeisen-Ökonom Geissbühler.

Doch in der Schweiz habe es in den letzten Jahren nur sehr moderate Lohnanstiege gegeben. Und dass sich das im bevorstehenden Lohnherbst massiv ändere, sei mit Blick auf die Erfahrungen der vergangenen Jahre unwahrscheinlich. Derzeit ist es also sehr unwahrscheinlich, dass die Preise in der Schweiz plötzlich ausser Rand und Band geraten.

Rendez-vous, 02.08.2021, 12.30 Uhr

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