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Psychedelika und Depression Der lange Trip von der illegalen Droge zum Medikament

Studien deuten darauf hin, dass LSD oder Psilocybin bei psychischen Leiden helfen. Der Weg zum Medikament ist teuer.

Depression gilt als Volkskrankheit – neun Prozent der Schweizer Bevölkerung leiden laut Bundesamt für Statistik an einer Depression. Lange Zeit fehlten neue Ansätze für eine medikamentöse Behandlung.

Seit ein paar Jahren machen aber Substanzen Hoffnung, die eigentlich als illegale Drogen in der Partyszene bekannt sind: Psychedelika wie LSD, Psilocybin oder MDMA zeigen in wissenschaftlichen Studien zum Teil erstaunliche Erfolge bei der Behandlung von Depression und anderen psychischen Leiden.

Forschung in der Schweiz

In der Schweiz führt zum Beispiel Matthias Liechti solche Studien durch. Er ist Professor für klinische Pharmakologie am Universitätsspital Basel. Zuletzt hat er zwei LSD-Studien abgeschlossen, in denen die Wirkung auf Angsterkrankungen und Depression untersucht wurde.

Eine MDMA-Pille wird untersucht und getestet
Legende: Illegale Drogen sind in der Partyszene beliebt. Neue Studien weisen darauf hin, dass solche Substanzen sich auch auf psychische Erkrankungen auswirken. Keystone/SEVERIN BIGLER

«Wir haben klare Hinweise, dass die Substanz, das LSD, bei diesen Erkrankungen eine Wirksamkeit zeigt», so Liechti. «Aber die Studien sind noch klein», gibt er zu bedenken.

Pharmafirmen sind gefragt

Damit psychedelische Substanzen irgendwann tatsächlich als Medikamente zugelassen würden und Patienten zur Verfügung stünden, brauche es grössere Studien, so Liechti.

Hier komme die Pharmaindustrie ins Spiel, denn für Universitäten sei die Durchführung solcher Zulassungsstudien zu teuer. «Im Moment braucht es Pharmafirmen, die im Extremfall bis zu einer Milliarde Franken beispielsweise an der Börse generieren können und mit dem Geld nachher die Entwicklung durchführen».

Keine Zulassung, aber Ausnahmebewilligungen

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Seit 2014 können Ärztinnen und Ärzte beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Ausnahmebewilligung beantragen: Diese erlaubt den medizinischen Einsatz von andernfalls verbotenen Substanzen wie LSD und MDMA. Jedoch nur unter strengen Voraussetzungen:

  1. Die Krankheit beeinträchtigt die Lebensqualität der betroffenen Person stark.
  2. Schulmedizinische Behandlungen erzielen nicht die gewünschte Wirkung.
  3. Erfahrungsgemäss kann die Substanz den Therapieverlauf begünstigen.

Nur wenn alle drei Kriterien erfüllt sind, erhalten Ärztinnen und Ärzte eine Ausnahmebewilligung.

Etabliert haben sich insbesondere MDMA bei posttraumatischen Belastungsstörungen und Psilocybin bei behandlungsresistenten Depressionen. Jedoch kommen Psychedelika auch bei weiteren Diagnosen zum Einsatz – unter anderem bei Suchterkrankungen, Ess- oder Zwangsstörungen, Cluster-Kopfschmerzen und Migräne.

Von der Substanz-assistierten Therapie ausgeschlossen sind Patientinnen und Patienten mit psychotischer Erkrankung oder Psychosen in der Verwandtschaft. Auch eine Bipolare Störung oder Borderline-Persönlichkeitsstörung können gegen den Einsatz von Psychedelika sprechen.

Das Universitätsspital Basel ist deshalb eine Forschungskooperation mit dem US-Biotech-Unternehmen MindMed eingegangen. Die Firma finanziert die aktuellen Studien mit und hat exklusiv Zugriff auf Daten. Sollte MindMed dank der Forschung ein Medikament auf den Markt bringen können, wird das Universitätsspital am Erfolg beteiligt.

Der potenzielle Markt für ein neues Medikament gegen Depression ist gross, ebenso die Gewinnaussichten einer Firma, die ein solches Medikament dereinst auf den Markt bringt. Doch der Weg bis zur Zulassung ist lang und teuer.

Das müssen im Moment viele Firmen erfahren, die noch vor Kurzem mit viel Getöse an die Börse gegangen sind. «Das geschah oft nur auf der Grundlage von Hype, Hoffnung und Patenten, die zwar angemeldet, aber noch nicht erteilt waren», analysiert Clara Burtenshaw, die den ersten europäischen Venture Capital Fonds gegründet hat, der sich auf Firmen im Psychedelika-Bereich spezialisiert.

Das geschah oft nur auf Grundlage von Hype, Hoffnung und Patenten, die zwar angemeldet, aber noch nicht erteilt waren.
Autor: Clara Burtenshaw Investorin, Neo Kuma Fonds

Inzwischen stellen sich harte Geschäftsfragen. Wie will eine Firma etwa das Patent-Problem lösen? Denn Psychedelika sind seit Jahrzehnten bekannt und damit eigentlich nicht patentierbar.

Ein Ausweg für Firmen sei die Anpassung der chemischen Formeln, so Burtenshaw. «Firmen verändern die chemischen Substanzen, machen sie weniger riskant, verbessern ihr Produktprofil. Diese Investitionen werden mit Patenten belohnt», erklärt sie.

Ketamin-Präparat

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Seit 2020 ist in der Schweiz ein Ketamin-Nasenspray als Therapie gegen therapieresistente Depression zugelassen. Es wird nicht das komplette Ketamin-Molekül, sondern nur ein Teil verwendet – ein Kniff, der dem Pharmariesen hinter dem Medikament ein Patent und damit Exklusivität sicherte.

Während die Zulassung von LSD oder Psilocybin als Medikament auf sich warten lässt, wurde 2020 ein Ketamin-Präparat gegen Depression zugelassen. Seither gilt es als Wegbereiter für andere Psychedelika.

Ketamin ist ein atypisches Psychedelikum und wirkt weniger halluzinogen als zum Beispiel LSD. Es wird in der Partyszene verwendet – aber ist seit vielen Jahren auch ein gängiges Narkosemittel. Auch deshalb dürfte die Zulassung als Medikament gegen Depression für Ketamin einfacher gewesen sein als für andere Psychedelika.

10vor10, 07.12.2023, 21:50 Uhr

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