Schweizer Unternehmen sprechen ungern über ihre Geschäftsrisiken in Hongkong. Zahlreiche von SRF kontaktierte Unternehmen äussern sich nicht oder nur knapp dazu. Einige Firmen sagen ausweichend, man beobachte das Umfeld laufend – das gelte aber für alle Länder, in denen man tätig sei.
Andere, etwa der Pharmakonzern Roche und der Industrieriese ABB, lassen schriftlich sinngemäss ausrichten: Man halte sich an allen Standorten strikt an die gesetzlichen Vorschriften und internen ethischen Standards. Swatch winkt mit einem simplen «no comment» ab. Der Uhrenkonzern kämpft in Hongkong schon länger mit Problemen: Wegen der Unruhen in der Metropole ist im letzten Jahr der Tourismus eingebrochen. Swatch musste Läden schliessen.
Vermehrte Investitionen in Südostasien
Hongkongs Wirtschaft ist im letzten Jahr geschrumpft. In diesem Jahr dürfte sich der Schrumpfkurs wegen Corona und den weiteren Unsicherheiten noch verstärken, sagt Stefan Butz, Chef der Schweizer Handelsfirma DKSH.
Er stützt sich auf internationale Prognosen: «Das Umfeld in Hongkong wird sich definitiv nicht verbessern, sondern dieses Jahr weiter verschlechtern.» Zu schaffen macht Hongkong – neben der Coronakrise – auch der Handelsstreit zwischen China und den USA.
Das macht das Geschäften für Unternehmen vor Ort unberechenbarer. Laut Butz reagieren jetzt offenbar die ersten Firmen: «Als erste Reaktion auf diese Streitigkeiten sehen wir, dass viele Unternehmen verstärkt in Südostasien investieren.» DKSH käme das zugute, denn das Unternehmen ist deutlich stärker in Thailand oder Vietnam tätig als in Hongkong oder China.
Reiche Privatkunden treffen Vorkehrungen
Ähnlich wie die Unternehmen in Hongkong wollen sich offenbar auch vermögende Bankkunden wappnen. Das beobachtet August Benz, stellvertretender Leiter der Schweizerischen Bankiervereinigung: «Viele, vor allem vermögende Privatkunden, überlegen sich, ob sie auch Konten in anderen Finanzzentren, zum Beispiel in Singapur, eröffnen.» Bei den reichen Hongkonger Bankkunden handelt es sich meist um Festlandchinesen.
Auch UBS, Credit Suisse und Julius Bär wollen ihr Hongkong-Geschäft nicht öffentlich kommentieren. Branchenbeobachtern zufolge dürfte Hongkong trotz allen Unsicherheiten wichtig bleiben für Schweizer Banken.
Benz erklärt es so: «Chinesische Firmen, die international agieren möchten, wagen häufig den ersten Schritt ins Ausland über Hongkong. Insofern ist das ein sehr wichtiger Finanzplatz für Asien, global, aber auch für China selber und viele Firmenkunden und Firmen in China.» Hongkong als Bindeglied zwischen Festlandchina und den internationalen Finanzmärkten: Diese Funktion wolle China wohl beibehalten, sind sich Bankenbranchenkenner einig.
Letztlich werden solche handfesten wirtschaftlichen Interessen auf beiden Seiten des politischen Streits wohl massgeblich mitbestimmen, welche Geschäfte in Hongkong weiterhin möglich sein werden, und welche nicht.