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Solaranlagen in den Alpen Ausgerechnet das Wallis ist das Schlusslicht

Der Solarexpress macht in einigen Kantonen grosse Fortschritte. Aber ausgerechnet im Kanton Wallis, wo der Solarexpress seinen Anfang nahm, kommt er kaum voran. Die Hintergründe.

Geboren wurde die Idee im Wallis: Hoch oben in den Bergen grosse Solaranlagen bauen und damit im Winter Strom produzieren. Im Parlament in Bern ist diese Idee 2022 auf Zuspruch gestossen: Seither rollt der Solarexpress, wenn auch unterschiedlich schnell.

Grosse Solaranlagen auf einem Berg, in denen sich die Sonne spiegelt.
Legende: Alpine Solaranlagen haben den Vorteil, dass sie vergleichsweise viel Strom im Winter liefern, wenn es über dem Mittelland Nebel hat. In den Wintermonaten produziert die Schweiz tendenziell zu wenig Strom und muss deshalb zusätzliche Mengen aus dem Ausland importieren. SRF / Matthias Heim

Jetzt, drei Jahre später, sind die ersten Anlagen bereits im Bau, in den Kantonen Graubünden und Uri. Mehr dazu später.

Im Wallis – ausgerechnet im Wallis – geht es hingegen nur schleppend voran. Aktuell stehen zwar zwölf Projekte zur Diskussion, bislang existieren sie aber nur auf Papier und als Computervisualisierung. Rechtskräftig bewilligt ist bis heute keine Anlage.

Grosse technische Herausforderungen

Beat Rieder, Walliser Ständerat für die Mitte Partei und einer der geistigen Väter des Solarexpresses, erklärt sich den Rückstand mit der Grösse der Anlagen: «Wir haben im Wallis grosse Anlagen in Planung. Nicht Anlagen, die vernachlässigbar sind». Konkret nennt er die beiden Projekte in Grengiols und Vispertal, die erhebliche Auswirkungen auf die Landschaft hätten. «Das weckt Widerstände – angefangen bei der Bevölkerung vor Ort, die zuerst überzeugt werden muss, bis zu den Umweltverbänden.»

Ähnlich sieht es die Chefin des Stromkonzerns Alpiq, Antje Kanngiesser. Der Konzern ist im Wallis an mehreren Projekten beteiligt. Nebst der Akzeptanz, die zuerst für diese Anlagen geschaffen werden müsse, nennt Kanngiesser weitere Gründe: «Es ist technisch sehr anspruchsvoll, in diesen Höhenlagen über 2000 Metern.» Das bringe hohe Kosten mit sich und erschwere einen rentablen Betrieb. «Das macht das Ganze sehr, sehr schwierig.»

Diese Argumente erklären den Rückstand gegenüber den anderen Kantonen aber nur zu einem gewissen Grad. Schliesslich sind die Anlagen in den anderen Kantonen zum Teil von vergleichbarer Grösse, sie werden ebenfalls in hochalpinem Gelände gebaut und mussten vor ihrer Realisierung auch Widerstände überwinden.

Das ist der Solarexpress

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Im Herbst 2022 hat das Parlament den Solarexpress beschlossen. Damit sollten unkompliziert grosse Solaranlagen in den Alpen gebaut werden können. Zusätzlich erhalten die Initianten auch noch staatliche Fördergelder für ihre Projekte. Ursprünglich war der Solarexpress bis Ende 2025 begrenzt.

Allerdings hat das Parlament den Solarexpress im Frühling bis 2030 verlängert, da viele Anlagen für die Umsetzung mehr Zeit benötigen.

Hintergrund des Gesetzes ist die Energiekrise im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg und die Furcht, dass die Schweiz im Winter in eine Strommangellage geraten könnte.

Bohrt man etwas tiefer, kommen weitere Faktoren zum Vorschein, die den schleppenden Fortgang – zumindest teilweise – erklären könnten. Alpiq etwa projektiert in Graubünden und im Wallis alpine Solaranlagen. Mit Blick auf den Bewilligungsprozess stellt der Konzern kantonale Unterschiede fest, auch wenn Antje Kanngiesser ihre Beobachtungen bewusst diplomatisch formuliert: «Wir haben Projekte in Graubünden und ich kann bestätigen, dass es dort schneller vorangeht, auch im Austausch.»

Kritik an den Behörden

Deutlicher wird der Walliser Politiker: «Es ist eine sehr grosse Resistenz innerhalb der kantonalen Verwaltung, die ich bedaure», kritisiert Beat Rieder. Zudem bemängelt er, wie der Kanton das Bewilligungsverfahren angegangen ist: «Die kantonale Verwaltung hat das Ganze völlig falsch eingeschätzt und die Verantwortlichen haben eine schlechte Auslegeordnung der Ausgangslage gemacht.»

Eine grosse Solaranlage auf der Alp auf der Madrisa.
Legende: Anders als im Wallis ist im Kanton Uri eine Anlage im Bau, im Kanton Graubünden sind es drei Anlagen. Die Anlage auf der Madrisa oberhalb von Klosters soll bereits ab November Strom liefern. Ist die Anlage komplett, wird sie ca. 17 Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren, das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von 3000 bis 4000 Haushalten. SRF / Matthias Heim

Spricht man zudem mit Walliser Projektanten, dann wird die Kritik noch konkreter: Die Behörden würden hohe Anforderungen stellen, die nicht erfüllbar seien, und laufend Nachbesserungen verlangen. Mit Namen will sich allerdings kein Initiant zitieren lassen, da sie weiterhin auf ein gutes Einvernehmen mit der Verwaltung angewiesen sind.

Unterschiede bei den Baugesuchen

Im Wallis ist die Kantonale Baukommission (KBK), zusammen mit der Verwaltung, für die Bewilligung der alpinen Solaranlagen zuständig. Jetzt bezieht die Kommission erstmals Stellung zur Kritik. Grundsätzlich streitet Hans-Jörg Arnold, Vizepräsident der KBK, nicht ab, dass der Prozess im Wallis länger dauert: «Es ist sicher kein richtiger Express geworden, wie man es sich gewünscht hätte.» Die Gründe dafür seien vielfältiger Art, so Arnold. So hätten technische Abklärungen oder die Einigung mit der Grundeigentümerschaft ihre Zeit beansprucht.

Ein Mann mit Brille steht in Visp vor dem Bahnhof.
Legende: Hans-Jörg Arnold, Vizepräsident der Kantonalen Baukommission im Wallis, kontert die Kritik am langsamen Vorgehen der Behörden: «Gewisse Initianten haben Dossiers eingereicht, die nicht vollständig waren.» SRF / Matthias Heim

Gleichzeitig beobachte die KBK aber bei den Baudossiers auch erhebliche Unterschiede: «Es hat nicht jedes Projekt die gleiche Qualität.» So hätten gewisse Dossiers Lücken gehabt oder die Umweltverträglichkeitsprüfung sei unvollständig gewesen: «Die Dossiers, die nicht auf dem Niveau waren, wie es die Dienststellen für nötig befinden, werden nachgebessert. Und jene, die nicht nachgebessert werden müssen, sind im Bewilligungsprozess schneller.»

So weit sind die Projekte im Kanton Wallis

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Die Walliser Behörden haben inzwischen drei Anlagen bewilligt: die Anlagen Hohsaas (in Saas Grund), Gries (in der Nähe des Nufenenpasses) und Gondosolar (beim Simplonpass).

Rechtskräftig sind die Bewilligungen allerdings noch nicht, weil bei allen Projekten jeweils noch die Zustimmung des Eidgenössisches Starkstrominspektorats fehlt. Zudem sind bei den geplanten Anlagen Hohsaas und Gondosolar Einsprachen hängig. Ein Baustart in diesem Jahr ist folglich für alle drei Anlagen unrealistisch.

Bei einigen Vorhaben rechnet die Kommission mit einem Entscheid in den kommenden Monaten. Andere Projekte wiederum sind noch weiter zurück, da seien die Dossiers erst in den vergangenen Wochen eingegangen, so die KBK.

Gleichzeitig ist auch die KBK der Meinung, dass gerade zu Beginn nicht alles optimal gelaufen sei: «Gewisse Departemente wussten nicht genau, wie man mit den Dossiers umgehen soll.» Das habe die Verwaltung aber anschliessend verbessert, zum Beispiel mit Checklisten. «Jetzt ist der Solarexpress in Schwung gekommen. Verzögert, aber er ist auf dem richtigen Weg», betont Hans-Jörg Arnold.

Bescheidenheit in Graubünden

Während im Wallis alle Vorhaben noch im Bewilligungsverfahren sind, schreiten die Bauarbeiten anderswo voran. Beispielsweise oberhalb von Klosters, auf der Madrisa. Dort ist eine der drei Anlagen im Kanton Graubünden im Bau. Auf der Baustelle herrscht emsiges Treiben und es zeigt sich, dass die Arbeiten schneller vorangehen als gedacht.

Ein Mass mit gelber Weste steht vor einer grossen Solaranlage in den Bergen.
Legende: Fabio Maurizio ist Projektleiter der alpinen Solaranlage auf der Madrisa oberhalb von Klosters (GR). Insgesamt werden über 3000 Solartische von je fünf Meter Höhe und sieben Meter Breite montiert. Insgesamt kostet die ganze Anlage rund 70 Millionen Franken. SRF / Matthias Heim

«Wir rechnen damit, dass wir bis Ende Jahr 15 bis 20 Prozent der Anlage gebaut haben», erklärt Fabio Maurizio auf einem Rundgang durch die Anlage. Er ist Projektleiter der Solaranlage und arbeitet für den Energieversorger Repower, der zusammen mit der Gemeinde Klosters und dem Elektrizitätswerk Zürich das Projekt umsetzt. Ursprünglich war das Ziel, zehn Prozent der Anlage bis Ende 2025 am Netz zu haben.

Ein Helikopter transportiert an einem langen Seil Solarpanels zu einer grossen Solaranlage in den Bergen.
Legende: Ein Helikopter fliegt die Elemente vom Umschlagplatz ins steile Gelände und setzt sie punktgenau auf grossen Stahlträgern ab. Rasch schrauben die Arbeiter am Boden das Panel fest, dann dreht der Helikopter bereits wieder ab und holt neue Elemente. So geht es im Minutentakt. SRF / Matthias Heim

Fabio Maurizio sieht zwei Faktoren für den raschen Fortschritt: Die Zusammenarbeit mit den Behörden und die Wahl des Standortes. «Die Projektanten haben sich gut überlegt, wo es Sinn macht zu bauen, zum Beispiel in der Nähe von bestehender Infrastruktur.» Die Anlage entsteht denn auch am Rande des Skigebietes, die Pisten und Winterwanderwege werden direkt an der Anlage vorbeiführen.

Lob für die Behörden und Verwaltung

Diesbezüglich erhalten die Initianten sogar Zuspruch von eher unerwarteter Seite. «Bei Madrisa hat man viele gute Überlegungen angestellt», sagt Rahel Marti, Co-Geschäftsleiterin der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Die Organisation ist grundsätzlich skeptisch gegenüber solchen Anlagen, da sie einen grossen Eingriff in die Landschaft seien. «Es macht vor allem dort Sinn, wo die Landschaft schon bebaut und genutzt ist.» Dieses Kriterium sieht Marti im Fall von Madrisa als gegeben an. Entsprechend gab es kaum Widerstand seitens der Naturschutzorganisationen.

Als weiteren Erfolgsfaktor sieht Fabio Maurizio die Zusammenarbeit mit der kantonalen Verwaltung. Und diesbezüglich tönt es ganz anders als im Wallis: So hätten die Behörden den Bewilligungsprozess rasch vorangetrieben. Das Resultat zeigt sich jetzt; nicht nur auf der Madrisa, sondern auch in Sedrun und auf der Alp Nalps in der Surselva ist je eine Solaranlage im Bau.

Bescheidenheit in Graubünden

Gleichzeitig habe man auf eine gewisse Bescheidenheit geachtet, wie Projektleiter Fabio Maurizio anfügt: «Wir sind nicht mit zu grossen Projekten gestartet, sondern haben solche gewählt, die realistisch sind.»

Diese Aussage steht im Kontrast zu einigen Walliser Projekten: Die Bündner Anlagen mögen im Vergleich zu Vorhaben im Wallis als eher klein erscheinen, obschon die drei Anlagen für Schweizer Verhältnisse immense Ausmasse habe. Und sie liefern – im Gegensatz zu den Walliser Projekten – bereits ab diesem Winter Strom. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

Walliser Politiker, darunter Beat Rieder, haben den Solarexpress angestossen, aber müssen jetzt zur Kenntnis nehmen, dass ausgerechnet ihr Kanton das Schlusslicht bildet. Rieder hofft nun, dass es dank der Bündner Anlagen auch im Wallis vorwärtsgeht. «Ich glaube, dass es mit dem Fortschritt und dem Erfolg in anderen Kantonen auch für den Kanton Wallis einfacher wird. Es braucht manchmal länger bei uns.»

Regionaljournal Graubünden, 15.09.2025, 17:30 Uhr; noes

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