Geboren wurde die Idee im Wallis: Hoch oben in den Bergen grosse Solaranlagen bauen und damit im Winter Strom produzieren. Im Parlament in Bern ist diese Idee 2022 auf Zuspruch gestossen: Seither rollt der Solarexpress, wenn auch unterschiedlich schnell.
Jetzt, drei Jahre später, sind die ersten Anlagen bereits im Bau, in den Kantonen Graubünden und Uri. Mehr dazu später.
Im Wallis – ausgerechnet im Wallis – geht es hingegen nur schleppend voran. Aktuell stehen zwar zwölf Projekte zur Diskussion, bislang existieren sie aber nur auf Papier und als Computervisualisierung. Rechtskräftig bewilligt ist bis heute keine Anlage.
Grosse technische Herausforderungen
Beat Rieder, Walliser Ständerat für die Mitte Partei und einer der geistigen Väter des Solarexpresses, erklärt sich den Rückstand mit der Grösse der Anlagen: «Wir haben im Wallis grosse Anlagen in Planung. Nicht Anlagen, die vernachlässigbar sind». Konkret nennt er die beiden Projekte in Grengiols und Vispertal, die erhebliche Auswirkungen auf die Landschaft hätten. «Das weckt Widerstände – angefangen bei der Bevölkerung vor Ort, die zuerst überzeugt werden muss, bis zu den Umweltverbänden.»
Ähnlich sieht es die Chefin des Stromkonzerns Alpiq, Antje Kanngiesser. Der Konzern ist im Wallis an mehreren Projekten beteiligt. Nebst der Akzeptanz, die zuerst für diese Anlagen geschaffen werden müsse, nennt Kanngiesser weitere Gründe: «Es ist technisch sehr anspruchsvoll, in diesen Höhenlagen über 2000 Metern.» Das bringe hohe Kosten mit sich und erschwere einen rentablen Betrieb. «Das macht das Ganze sehr, sehr schwierig.»
Diese Argumente erklären den Rückstand gegenüber den anderen Kantonen aber nur zu einem gewissen Grad. Schliesslich sind die Anlagen in den anderen Kantonen zum Teil von vergleichbarer Grösse, sie werden ebenfalls in hochalpinem Gelände gebaut und mussten vor ihrer Realisierung auch Widerstände überwinden.
Bohrt man etwas tiefer, kommen weitere Faktoren zum Vorschein, die den schleppenden Fortgang – zumindest teilweise – erklären könnten. Alpiq etwa projektiert in Graubünden und im Wallis alpine Solaranlagen. Mit Blick auf den Bewilligungsprozess stellt der Konzern kantonale Unterschiede fest, auch wenn Antje Kanngiesser ihre Beobachtungen bewusst diplomatisch formuliert: «Wir haben Projekte in Graubünden und ich kann bestätigen, dass es dort schneller vorangeht, auch im Austausch.»
Kritik an den Behörden
Deutlicher wird der Walliser Politiker: «Es ist eine sehr grosse Resistenz innerhalb der kantonalen Verwaltung, die ich bedaure», kritisiert Beat Rieder. Zudem bemängelt er, wie der Kanton das Bewilligungsverfahren angegangen ist: «Die kantonale Verwaltung hat das Ganze völlig falsch eingeschätzt und die Verantwortlichen haben eine schlechte Auslegeordnung der Ausgangslage gemacht.»
Spricht man zudem mit Walliser Projektanten, dann wird die Kritik noch konkreter: Die Behörden würden hohe Anforderungen stellen, die nicht erfüllbar seien, und laufend Nachbesserungen verlangen. Mit Namen will sich allerdings kein Initiant zitieren lassen, da sie weiterhin auf ein gutes Einvernehmen mit der Verwaltung angewiesen sind.
Unterschiede bei den Baugesuchen
Im Wallis ist die Kantonale Baukommission (KBK), zusammen mit der Verwaltung, für die Bewilligung der alpinen Solaranlagen zuständig. Jetzt bezieht die Kommission erstmals Stellung zur Kritik. Grundsätzlich streitet Hans-Jörg Arnold, Vizepräsident der KBK, nicht ab, dass der Prozess im Wallis länger dauert: «Es ist sicher kein richtiger Express geworden, wie man es sich gewünscht hätte.» Die Gründe dafür seien vielfältiger Art, so Arnold. So hätten technische Abklärungen oder die Einigung mit der Grundeigentümerschaft ihre Zeit beansprucht.
Gleichzeitig beobachte die KBK aber bei den Baudossiers auch erhebliche Unterschiede: «Es hat nicht jedes Projekt die gleiche Qualität.» So hätten gewisse Dossiers Lücken gehabt oder die Umweltverträglichkeitsprüfung sei unvollständig gewesen: «Die Dossiers, die nicht auf dem Niveau waren, wie es die Dienststellen für nötig befinden, werden nachgebessert. Und jene, die nicht nachgebessert werden müssen, sind im Bewilligungsprozess schneller.»
Gleichzeitig ist auch die KBK der Meinung, dass gerade zu Beginn nicht alles optimal gelaufen sei: «Gewisse Departemente wussten nicht genau, wie man mit den Dossiers umgehen soll.» Das habe die Verwaltung aber anschliessend verbessert, zum Beispiel mit Checklisten. «Jetzt ist der Solarexpress in Schwung gekommen. Verzögert, aber er ist auf dem richtigen Weg», betont Hans-Jörg Arnold.
Bescheidenheit in Graubünden
Während im Wallis alle Vorhaben noch im Bewilligungsverfahren sind, schreiten die Bauarbeiten anderswo voran. Beispielsweise oberhalb von Klosters, auf der Madrisa. Dort ist eine der drei Anlagen im Kanton Graubünden im Bau. Auf der Baustelle herrscht emsiges Treiben und es zeigt sich, dass die Arbeiten schneller vorangehen als gedacht.
«Wir rechnen damit, dass wir bis Ende Jahr 15 bis 20 Prozent der Anlage gebaut haben», erklärt Fabio Maurizio auf einem Rundgang durch die Anlage. Er ist Projektleiter der Solaranlage und arbeitet für den Energieversorger Repower, der zusammen mit der Gemeinde Klosters und dem Elektrizitätswerk Zürich das Projekt umsetzt. Ursprünglich war das Ziel, zehn Prozent der Anlage bis Ende 2025 am Netz zu haben.
Fabio Maurizio sieht zwei Faktoren für den raschen Fortschritt: Die Zusammenarbeit mit den Behörden und die Wahl des Standortes. «Die Projektanten haben sich gut überlegt, wo es Sinn macht zu bauen, zum Beispiel in der Nähe von bestehender Infrastruktur.» Die Anlage entsteht denn auch am Rande des Skigebietes, die Pisten und Winterwanderwege werden direkt an der Anlage vorbeiführen.
Lob für die Behörden und Verwaltung
Diesbezüglich erhalten die Initianten sogar Zuspruch von eher unerwarteter Seite. «Bei Madrisa hat man viele gute Überlegungen angestellt», sagt Rahel Marti, Co-Geschäftsleiterin der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Die Organisation ist grundsätzlich skeptisch gegenüber solchen Anlagen, da sie einen grossen Eingriff in die Landschaft seien. «Es macht vor allem dort Sinn, wo die Landschaft schon bebaut und genutzt ist.» Dieses Kriterium sieht Marti im Fall von Madrisa als gegeben an. Entsprechend gab es kaum Widerstand seitens der Naturschutzorganisationen.
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Bild 1 von 3. Lastwagen transportieren das Material bis zum Umschlagplatz auf der Madrisa auf 2000 Meter über Meer, unmittelbar neben der alpinen Solaranlage. Die Feinverteilung der Bauelemente im Gelände erfolgt anschliessend per Helikopter. Bildquelle: SRF / Matthias Heim.
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Bild 2 von 3. Pro Solartisch sind zwei Flüge notwendig: Ein Mal für die Unterkonstruktion aus Stahl, ein zweites Mal für die Solarpanels. Insgesamt dauert jeder Flug rund 2 Minuten: die Last anhängen, der Flug ins Gelände, die Montage und der Rückflug. Bildquelle: SRF / Matthias Heim.
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Bild 3 von 3. Eine Handvoll Arbeiter nimmt die Solarpanels aus der Luft in Empfang und montiert die schweren Elemente auf den Unterkonstruktionen. Gemäss den Initianten könne dank der Helikopterflüge der sensible Boden besser geschützt werden. Bildquelle: SRF / Matthias Heim.
Als weiteren Erfolgsfaktor sieht Fabio Maurizio die Zusammenarbeit mit der kantonalen Verwaltung. Und diesbezüglich tönt es ganz anders als im Wallis: So hätten die Behörden den Bewilligungsprozess rasch vorangetrieben. Das Resultat zeigt sich jetzt; nicht nur auf der Madrisa, sondern auch in Sedrun und auf der Alp Nalps in der Surselva ist je eine Solaranlage im Bau.
Bescheidenheit in Graubünden
Gleichzeitig habe man auf eine gewisse Bescheidenheit geachtet, wie Projektleiter Fabio Maurizio anfügt: «Wir sind nicht mit zu grossen Projekten gestartet, sondern haben solche gewählt, die realistisch sind.»
Diese Aussage steht im Kontrast zu einigen Walliser Projekten: Die Bündner Anlagen mögen im Vergleich zu Vorhaben im Wallis als eher klein erscheinen, obschon die drei Anlagen für Schweizer Verhältnisse immense Ausmasse habe. Und sie liefern – im Gegensatz zu den Walliser Projekten – bereits ab diesem Winter Strom. Das ist ein wesentlicher Unterschied.
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Bild 1 von 3. Insgesamt bohren die Arbeiter oberhalb von Klosters über 12000 Löcher in den Boden, damit die gut 3000 Solartische fest verankert werden können. Jedes Bohrloch wird drei bis fünf Meter tief und hat einen Durchmesser von zwölf Zentimetern. Bildquelle: SRF / Matthias Heim.
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Bild 2 von 3. Damit der Boden möglichst geschont wird, werden die Bohrarbeiten nicht von grossen Baggern ausgeführt, sondern manuell. So können die Eingriffe minimiert werden und Habitate, für die Kreuzotter beispielsweise, bleiben vergleichsweise unberührt. Bildquelle: SRF / Matthias Heim.
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Bild 3 von 3. Grosse Stahlträger liegen am Lagerplatz zur Montage bereit. Sie dienen als Unterkonstruktion für die Solarpanels, die Schnee und Wind trotzen müssen. Bildquelle: SRF / Matthias Heim.
Walliser Politiker, darunter Beat Rieder, haben den Solarexpress angestossen, aber müssen jetzt zur Kenntnis nehmen, dass ausgerechnet ihr Kanton das Schlusslicht bildet. Rieder hofft nun, dass es dank der Bündner Anlagen auch im Wallis vorwärtsgeht. «Ich glaube, dass es mit dem Fortschritt und dem Erfolg in anderen Kantonen auch für den Kanton Wallis einfacher wird. Es braucht manchmal länger bei uns.»