China will mit Kartellen Überkapazitäten in der Industrie in den Griff bekommen. Vor allem in der Solarindustrie gibt es viele Fabriken, die wenig ausgelastet sind und mit Subventionen am Leben gehalten werden. Das ist alles andere als kostendeckend – Lieferanten beklagen sich über unbezahlte Rechnungen, Angestellte warten auf ihren Lohn. In der Wirtschaft eigentlich verpönte Kartelle sollen dabei helfen, die Überkapazitäten zu bekämpfen. SRF-China-Korrespondent Samuel Emch über die Pläne der chinesischen Regierung.
Kartelle in der chinesischen Solarindustrie – was ist der Plan?
Es geht zunächst darum, die Produktion von Polysilizium neu zu organisieren, das Material, aus dem Solarzellen und Mikrochips gemacht werden. Branchenschwergewichte wollen einen Fonds gründen, um ältere Produktionsanlagen aufzukaufen und so Kapazitäten aus dem Markt zu nehmen. Es soll auch Absprachen bei Produktionsmengen geben – ähnlich wie beim Ölkartell OPEC – und es ist eine Preiskontrolle geplant, da die Industrie von einem ruinösen Preiskampf geprägt ist.
Warum gibt es diesen Preiskampf?
Dieser ist Folge der chinesischen Industriepolitik der letzten Jahrzehnte. China wollte eine globale Vorreiterrolle in der Solarindustrie. Das wurde von Provinzen und Städten umgesetzt – China ist weltweit führend. Aber es wurde in so vielen Regionen investiert, dass es zu Überkapazitäten kam, die Firmen konkurrieren sich gegenseitig. Die Zentralregierung prangert diesen Preiskampf an und ruft zur Mässigung auf, bisher ohne Erfolg. Nun soll es ein Kartell richten, zunächst bei den Polysilizium-Herstellern. Die Behörden sprechen nicht von einem «Kartell» – es gehe um die «Regulierung des ungeordneten Wettbewerbs».
Könnten auch andere Branchen so reguliert werden?
Über Kartelle in anderen Branchen ist noch nichts bekannt. Appelle zur Mässigung im Konkurrenzkampf hat es auch schon für die Autoindustrie gegeben – Überkapazitäten gibt es zudem auch in der Batterieproduktion oder der Zementindustrie. Hier sehen wir ähnliche Preiskämpfe, gerade bei den vielen Autoherstellern in China. Es gibt auch entsprechende Ermahnungen von Regierungsseite.
Die Situation in Chinas Wirtschaft ist so angespannt, dass eine Dringlichkeitssitzung unter Präsident Xi stattfand. Die Vorgaben daraus: Unterbinden des ruinösen Preiswettbewerbs, Ermöglichen eines geordneten Konkurses nicht konkurrenzfähiger Firmen und Kontrolle der Investitionen durch die Behörden. China muss und will also seine Politik anpassen.
Ist mit Widerstand gegen den staatlichen Eingriff in die Solarindustrie zu rechnen?
Es dürfte Gegendruck aus den Provinzen und Städten kommen, die diese Entwicklung finanziert haben. Provinzbehörden zeigen sich zu den Appellen der Regierung zwar offen, bei der konkreten Umsetzung, wenn es beispielsweise um Fabrikschliessungen geht, wird es schwierig. Kein Provinzgouverneur hat Interesse am Verlust von Arbeitsplätzen. Ihr Ziel ist es, Wachstum zu generieren. Zudem haben Firmen in Kartellen immer einen Anreiz, andere mit Preisen zu unterbieten. Solche Kartelle sind instabil, erste Ansätze sind bereits gescheitert.
Was heisst das für potenzielle Abnehmerinnen und Abnehmer der Produkte – gerade in Europa oder in den USA?
Es ist noch sehr früh, um hier Prognosen zu machen. Aber wenn die Preise angehoben werden in China, werden das wohl auch die Abnehmer in Europa und andernorts spüren. Merken werden es aber auch die westlichen Industrien, die eventuell wieder konkurrenzfähiger werden.