Für den Währungsfonds ist Argentinien ein Präzedenzfall. Nicht nur, was die Höhe des Hilfspakets betrifft, sondern auch, was die soziale Abfederung angeht. Früher als Wegbereiter des kalten Neoliberalismus auch in Argentinien verhasst, wollte der IWF es diesmal besser machen.
Statt mit seine Kreditauflagen die Armut in den Empfängerländern noch zu verschärfen, schreibt das aktuelle Argentinien-Programm ausdrücklich einen sozialen Puffer für die Ärmsten vor.
Der Währungsfonds habe enorm dazugelernt, sagt Matthias Goldmann, Experte für Staatsverschuldung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main: «Der IWF vermeidet es, Staaten Politiken vorzuschlagen, die absehbar die schwächeren Schichten der Bevölkerung treffen.»
Etwa, wenn die Gesundheitsversorgung gekürzt oder soziale Hilfe zusammengestrichen werde – was früher oft Bedingung für die Kredite des IWF war. Vor allem die rasant steigende Inflation hat dazu geführt, dass den Argentiniern das Geld in der Hand wie Schnee wegschmilzt.
Es sei eine Abwärtsspirale in Gang, die nur schwer zu stoppen sei, sagt Ökonom Klaus-Jürgen Gern vom Weltwirtschaftsinstitut in Kiel: «Die sinkenden Reallöhne haben sinkende Konsumausgaben zur Folge. Das macht den Unternehmen zu schaffen, die ihre Beschäftigung nicht mehr halten können – was zu Arbeitslosigkeit und Armut führt.»
Schmerzhafte Sparmassnahmen
Das Paradoxe ist: Auch der IWF hat Argentinien eine Sparpolitik verordnet – als Bedingung für seine Kredite. Auch wenn die Auflagen nicht mehr so hart sind wie in früheren Zeiten: Sparen tut weh. Das Land muss etwa seine Energiesubventionen streichen, was vor allem die Armen trifft.
Um die schlimmsten Auswirkungen abzufedern, schreibt der Währungsfonds der Regierung Macri allerdings vor, künftig 0.3 statt – wie bisher – 0.2 Prozent der Wirtschaftsleistung für Sozialausgaben auszugeben.
Mit den steigenden Sozialausgaben steigt allerdings auch das Risiko, dass der Staat sein Defizit nicht in den Griff bekommt. Das könnte Investoren verunsichern. Und die Regierung Macri dazu verleiten, immer mehr Schulden aufzunehmen, um das Loch zu stopfen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Argentinien am Rand der Staatspleite stünde.
Vertrauen in das System schaffen
Und dennoch, sagt Schuldenexperte Goldmann: Langfristig gesehen sei es richtig, dass der IWF Argentinien höhere Sozialausgaben verordne: «Wenn es dem IWF und Argentinien gelingt, durch höhere soziale Ausgaben Vertrauen in die langfristige Stabilität und Gesundung dieses chronisch kranken argentinischen Systems zu nähren, geben die Investoren dem Land auch zu einem annehmbaren Zinssatz Geld – und damit kann sich Argentinien refinanzieren.»
Es geht aber nicht nur um das Vertrauen der Investoren, sondern auch um die politische Akzeptanz in der Bevölkerung, sagt der Kieler Ökonom Gern: «Zu versuchen, diese orthodoxe marktwirtschaftliche Strukturanpassungspolitik mit einem sozialen Sicherungsnetz zu versehen, das die politische Akzeptanz erhöht, das scheint mir einen Versuch wert zu sein». Denn gerade in den Schwellenländern sei das bisherige Vorgehen des IWF stark in Verruf geraten.
Höhere Sozialausgaben also auch als eine Art Flankenschutz – für den IWF selbst und für die harten Reformen, die den Argentiniern noch bevorstehen.