Zum Inhalt springen

Steigende Strompreise Die Energiekonzerne taugen nicht als Feindbild

Die Energiekonzerne vergolden sich auf dem Buckel der Strombezügerinnen und Strombezüger! Auf den ersten Blick scheint dieser Schluss naheliegend zu sein: Auf der einen Seite sind die Energiekonzerne wie Alpiq, BKW oder Repower, die jüngst glänzende Geschäftszahlen vorgelegt haben. Auf der anderen Seite sind die Privathaushalte, die zum zweiten Mal in Folge deutlich höhere Stromtarife zahlen.

Bei genauerer Betrachtung ist diese Schlussfolgerung allerdings nicht korrekt. Das hat mit einer Eigenheit der Energieversorger zu tun: Zum einen beliefern sie die Privathaushalte – die gebundenen Kunden und Kundinnen – mit Strom, den sie am Markt einkaufen oder mit ihren Kraftwerken selber produzieren. Gleichzeitig handeln sie mit eigener und zugekaufter Energie auf dem freien Markt. In diesem Geschäftsbereich haben sie jüngst stattliche Gewinne erzielt.

Gute Gründe für das aktuelle System

Bei den Stromlieferungen an Privathaushalte sind die Unternehmen hingegen an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Hier ist es jetzt die Aufgabe der Aufsichtsbehörde Elcom, genau hinzuschauen und die Tarife zu prüfen. Vor allem, ob die Energiekonzerne die Gelegenheit nicht doch beim Schopf gepackt haben und «normale» Schwankungen bei ihren Produktionskosten – etwa aufgrund von Trockenheit – einfach der gebundenen Kundschaft weiterverrechnen.

Angesichts der Millionengewinne stellt sich die ebenfalls naheliegende Frage, ob damit nicht die Stromtarife für die Haushalte quersubventioniert und dadurch künstlich tief gehalten werden könnten. Allerdings ist das ganz bewusst so nicht vorgesehen. Und das ist gut so: Hätten die Energiekonzerne riesige Verluste gemacht, müssten in einem solchen Fall auch die Haushalte dafür aufkommen. Der Aufschrei wäre gewiss.

Immerhin gibt es Trost: Die Energieunternehmen sind ganz oder grossmehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand. Damit fliessen die Gewinne in Form von Dividenden in die Kassen von Gemeinden und Kantonen und kommen somit auch der Allgemeinheit zugute. Im Einzelfall mag das zwar wenig helfen, wenn die höheren Strompreise das Budget belasten.

Es gibt aber auch Alternativen

Gleichzeitig hat es jeder und jede von uns – bis zu einem gewissen Grad – selbst in der Hand, den Stromverbrauch zu drosseln und damit die Ausgaben zu senken. Höhere Preise schaffen den Anreiz zum Sparen. Das ist nicht per se schlecht. Und wer gar eine eigene Solaranlage auf dem Dach hat, versorgt sich selbst mit günstigem Sonnenstrom und muss dadurch weniger (teure) Energie aus dem Netz beziehen.

Die erneut höheren Stromtarife dürften nun die Debatte einer Strommarktliberalisierung für Private befeuern. Jene Stromunternehmen, die selber keine Kraftwerke haben und sich den grössten Teil des Stroms auf dem freien Markt beschaffen, haben in der jetzigen Situation keinen Anreiz, ein möglichst gutes Angebot auszuhandeln. Sie können die Kosten einfach ihrer «gefangenen» Kundschaft weitergeben. In einem liberalisierten Markt würden solche Anbieter umgehend verschwinden.

Deshalb wird die Debatte um eine vollständige Strommarktliberalisierung mit den gestiegenen Stromtarifen neu lanciert.

Matthias Heim

Wirtschaftsredaktor

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Matthias Heim hat Wirtschaftsgeschichte studiert. Seit 2007 arbeitet er für Radio SRF, seit 2016 ist er Wirtschaftsredaktor. Seine Spezialgebiete sind Aviatik, Tourismus, Verkehr, Detailhandel und Energie.

Tagesgespräch, 05.09.2023, 13 Uhr

Meistgelesene Artikel