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Stromversorgung Französische AKWs sind für die Schweiz unverzichtbar

Schweizer Stromversorger verlängern einen Vertrag mit Frankreich um 15 Jahre. Allerdings ist ungewiss, ob Frankreich den Vertrag überhaupt einhalten kann.

Die Schweiz bezieht seit Jahrzehnten grosse Mengen Strom aus Frankreich. Allein im vergangenen Jahr für mehr als eine Million Haushalte. Und das wird vorerst auch so bleiben: Mehrere Schweizer Stromunternehmen haben Ende Juni einen bestehenden Vertrag mit dem französischen Stromkonzern EDF um 15 Jahre verlängert. «Mit der Verlängerung leisten die Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit», sagt Noël Graber, Mediensprecher der Axpo.

Schweizer Beteiligungen in Frankreich

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Blick auf das AKW Bugey und die Kleinstadt Saint-Vulbas
Legende: Blick auf das AKW Bugey und die Kleinstadt Saint-Vulbas, 35 Kilometer östlich von Lyon. KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi

Mehrere Schweizer Stromkonzerne (u.a. Alpiq, Axpo und BKW) sind seit Jahrzehnten direkt an der französischen Stromproduktion beteiligt. Die Unternehmen bzw. ihre Vorgängerfirmen haben in den 1970er und 1980er Jahren den Bau von neuen Kernkraftwerken in Frankreich mitfinanziert und besitzen deshalb bis heute direkte Beteiligungen an den Anlagen in Bugey und Cattenom. Bis 2017 bezogen die Schweizer Unternehmen auch aus dem inzwischen stillgelegten AKW Fessenheim Strom.   

Die Axpo ist der grösste von sechs Stromkonzernen, die am Vertrag mit EDF beteiligt sind. Insgesamt können Axpo, Repower, Groupe E, Primeo Energie, die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke und SN Energie jährlich eine Strommenge von 1'500 GWh beziehen und damit den Bedarf von etwa 350'000 Haushalten decken.

Lange herrschte Ungewissheit

Allerdings war lange unklar, ob der Vertrag überhaupt verlängert werden soll. Der Krieg in der Ukraine hat die Vorzeichen aber grundlegend verändert: Seither steht die Versorgungssicherheit im Vordergrund.

Wie stark sich die Zeiten gewandelt haben, zeigt sich auch an der Tatsache, dass die Stromkonzerne noch vor wenigen Jahren einen zweiten, gleichlautenden Vertrag mit EDF haben auslaufen lassen. Noël Graber erklärt den Entscheid rückblickend folgendermassen: «Angesichts der damals verfügbaren Informationen war es ein richtiger Entscheid».

Blick von oben auf das AKW Penly; im Hintergund ist das Meer zu sehen
Legende: Blick auf das AKW Penly in der Ortschaft Petit-Caux, nahe Dieppe in der Normandie. REUTERS/Benoit Tessier

Für die Schweizer Stromunternehmen war es zum damaligen Zeitpunkt günstiger, die benötigte Strommenge auf dem europäischen Markt zu beschaffen, anstatt sich mit einem langfristigen Vertrag an Frankreich zu binden. In der Zwischenzeit hat der Krieg die Konzerne allerdings vor eine neue Ausgangslage gestellt.

Kann Frankreich den vereinbarten Strom liefern?

Die Vertragsverlängerung ist noch aus einem zweiten Grund bemerkenswert: Frankreich hat im vergangenen Jahr so wenig Strom produziert wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Viele der französischen AKWs mussten wegen Reparaturarbeiten ausserplanmässig vom Netz. Oft für Monate. Frankreich war deshalb gezwungen, im grossen Stil aus den umliegenden Staaten Strom zu importieren. Auch aus der Schweiz.

Rekordtiefe Stromproduktion in Frankreich 2022

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Die Kernkraftwerke in Frankreich haben 2022 so wenig Strom produziert wie zuletzt 1988. Insgesamt haben die französischen AKWs im vergangenen Jahr 279 TWh Strom produziert, 82 TWh weniger als im Vorjahr. Zeitweise war mehr als die Hälfte der über 50 Anlagen wegen ausserplanmässigen Inspektions- und Reparaturarbeiten ausser Betrieb.

Zudem musste EDF die Leistung ihrer AKWs aufgrund der Hitzewelle zeitweise drosseln, weil die Flüsse zu wenig Wasser führten, um damit die Anlagen kühlen zu können.

Angesichts seiner alternden Kernkraftwerke stellt sich die Frage, ob EDF künftig der Schweiz den vereinbarten Strom liefern kann. Noël Graber von der Axpo verweist auf die Vertragsmodalitäten. Dieser Vertrag habe den Vorteil, dass zu jeder Zeit genau dieselbe Menge Strom geliefert werde, «unabhängig von der Verfügbarkeit einzelner Kraftwerke». Zumindest der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass EDF seine Verträge gegenüber der Schweiz stets einhielt.

Mit dem nun verlängerten Vertrag erhalten die Schweizer Energieversorger Planungssicherheit für die kommenden Jahre. Wie viel diese Absicherung allerdings kostet, wollen die beteiligten Firmen nicht bekannt geben. Das bleibt ein Betriebsgeheimnis.

Rendez-Vous, 17.7.2023, 12:30 Uhr

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