Worum geht es? Jeder und jede denke nur noch an sich selbst und nicht an die Gesellschaft. Dieser Meinung sind 62 Prozent der Befragten des «Ruhestandsmonitors», den die Axa-Versicherung am 16. September veröffentlicht hat. Dieser hohe Wert decke sich mit anderen Umfragen, die zeigten, dass sich ein grosser Teil der Bevölkerung um den sozialen Zusammenhalt sorge, sagt Silja Häusermann. Sie ist Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Zürich.
Sind wir unsolidarischer geworden? Silja Häusermann weist darauf hin: Wahrnehmung ist nicht gleich Realität. «In der Bereitschaft, zum Wohl von anderen Gruppen oder anderen Menschen beizutragen, sehen wir nicht unbedingt eine Abnahme. Im Gegenteil.» Volksabstimmungen, die zum Ziel hätten, die soziale Umverteilung zu steigern, erführen steigenden Zuspruch.
Warum dann diese Wahrnehmung? Laut Silja Häusermann hat das viel mit der ewigen Debatte um die Altersvorsorge zu tun. «Wenn die Menschen enge finanzielle Spielräume wahrnehmen und die Befürchtung haben, dass die Mittel sehr knapp sind, dann machen sie sich Sorgen, dass es Verteilkämpfe oder Verteilengpässe gibt.» Die Debatte um die Altersvorsorge sei von starken Konflikten geprägt. Politikerinnen und Politiker tragen mit kritischen oder besorgten Aussagen zu dieser Wahrnehmung bei.
Was muss geschehen? Die Lösung ist in den Augen der Politikwissenschaftlerin einfach. Die Menschen müssen den Eindruck haben, dass eine faire Politik gemacht wird. Übersetzt auf die Altersvorsorge heisst das laut Silja Häusermann: «Die Aufgabe ist es, breit abgestützte Kompromisse zu finden, die auch als ausgewogen wahrgenommen werden.» Damit geht der Ball zur Politik.