Zum Inhalt springen

Studie zu Qualität und Kosten Die Gesundheitskosten könnten sich bis 2040 verdoppeln

Die Prämienlast dürfte weiterhin deutlich zunehmen, zeigt eine neue Studie der Boston Consulting Group.

Was wurde in der Studie untersucht? In der Studie hat das global tätige Beratungs-Unternehmen die Qualität und die Kosten des Schweizer Gesundheitswesens detailliert analysiert. Dazu wurde das Schweizer System demjenigen anderer europäischer Länder gegenübergestellt.

Zu welchem Schluss kommt die Studie? Zunächst zum Positiven: Im europäischen Vergleich ist die Qualität des Schweizer Gesundheitswesens an der Spitze. Nirgendwo erhält man beispielsweise schneller eine Behandlung durch Spezialisten als hierzulande.

Diese hochwertige Versorgung hat aber auch ihren Preis: Vor der Corona-Krise lag die Schweiz hinter Deutschland auf Platz zwei bei den Gesundheitsausgaben gemessen am Bruttoinlandprodukt. 82 Milliarden Franken kostete das Gesundheitswesen pro Jahr, 70 Prozent mehr als im EU-Durchschnitt.

In den letzten 20 Jahren stiegen die Gesundheitsausgaben stetig an, gesamthaft um knapp 80 Prozent. Die Gesamtwirtschaft wuchs im gleichen Zeitraum nur um die Hälfte. Für die Versicherten wuchs die Belastung noch stärker: 90 Prozent teurer sind die Krankenkassenprämien als vor 20 Jahren.

Wie sieht die zukünftige Entwicklung aus? Die Beratungsfirma skizziert drei Szenarien, wie sich die Gesundheitsausgaben bis 2040 weiterentwickeln könnten:

  • Folgt man der Entwicklung der letzten zehn Jahre, würden die Kosten 155 Milliarden Franken pro Jahr erreichen – 90 Prozent mehr als heute.
  • Ohne kostenstabilisierende Massnahmen drohe sogar mehr als das Doppelte.
  • Sogar im besten Fall, mit kosten-dämpfende Massnahmen, werde das Gesundheitswesen um über zwei Drittel teurer.

Für die Prämienzahler ist demnach ist eine weitere Prämienerhöhung von mindestens 45 Prozent zu erwarten – in jedem Fall.

Was sind die Treiber? Häufig werde die Überalterung der Bevölkerung als Grund angesehen, aber das sei nur ein sehr kleiner Teil, sagt Pia Tischhauser, Co-Autorin der Studie: «Bei weitem der wichtigste Kostentreiber ist die Überbehandlung in der Schweiz.» Die Schweiz leistet sich eine hohe Betreuungsdichte, hält die Studie fest. Das heisst, es gibt vergleichsweise viele Betten oder Ärzte pro Patient oder Patientin, was mehr kostet. Gleichzeitig gebe es aber auch Anzeichen für medizinisch nicht notwendige Eingriffe. Insbesondere bei orthopädischen Eingriffen gibt es Auffälligkeiten. Beispielsweise bei Knieersatzoperationen steht die Schweiz deutlich über dem europäischen Schnitt.

Bei weitem der wichtigste Kostentreiber ist die Überbehandlung in der Schweiz
Autor: Pia Tischhauser Partnerin Boston Consulting Group

Die Autoren halten fest: «Eine mögliche Begründung der Überbehandlung liegt zum einen am Vergütungsmodell für Ärzte und Spitäler und zum anderen an der Mindestanzahl an Operationen, die jährlich erreicht werden muss.»

Was sind mögliche Massnahmen? Sie sehe zwei Wege, die Kostenexplosion in den Griff zu kriegen, sagt Pia Tischhauser. Man könne bei der Qualität einsparen, was wahrscheinlich niemand möchte. Oder man versuche das System transparenter zu machen, um damit unnötige Mehrkosten zu finden und zu verhindern. Die Beraterin betont dabei die Digitalisierung: «Wir haben sehr viel investiert in Digitalisierung, um Daten verfügbar zu machen – theoretisch. Aber tatsächlich ist es heute so, dass die Daten praktisch nicht genutzt werden können.» Die Mehrheit der Kliniken sammle Daten separat und ohne Austausch. Dieses «Silo-Denken» müsse überwunden werden, um Synergien zu nutzen.

Schliesslich könnten diese auch für die Prävention genutzt werden. Gute Vorbeugung sei ebenfalls ein entscheidender Pfeiler in der Strategie, die Kostenexplosion in den Griff zu bekommen.

Tagesschau, 19.04.2022, 19:30 Uhr

Meistgelesene Artikel