Zum Inhalt springen

Überschüsse und Schulden Wie funktioniert das Prinzip der Schuldenbremse?

Die SPD hat sich angesichts der Haushaltskrise indirekt für die Aussetzung der Schuldenbremse auch 2024 starkgemacht. Ob in der deutschen Finanzpolitik oder im Schweizer Bundesbudget: Die Schuldenbremse beschäftigt. Wie wichtig ist sie?

Wie funktioniert das Prinzip der Schuldenbremse? Die Schweizer Schuldenbremse funktioniert nach dem Prinzip von Grossmutters Haushaltsbüchlein. Der Staat darf über die Dauer nicht mehr ausgeben, als er einnimmt. Wenn die Wirtschaft schlecht läuft, darf der Staat neue Schulden machen. Wenn es wieder gut läuft, muss er diese kompensieren. Der Staat darf langfristig keine neuen Schulden mehr machen. Das führt über die Jahre zu einer immer tieferen Schuldenquote.

SPD fordert indirekt Aussetzung der Schuldenbremse für 2024

Box aufklappen Box zuklappen

Die SPD hat sich indirekt für die Aussetzung der Schuldenbremse auch im Jahr 2024 starkgemacht. «Verfassungsrechtlich vorgegebene Spielräume für den Haushalt» müssten im Sinne der Bevölkerung genutzt werden, beschlossen die Delegierten des Bundesparteitags am Samstag einstimmig. Politisch sei mit dem Ukraine-Krieg die Voraussetzung für eine Notlage gegeben, die eine erweiterte Kreditaufnahme ermögliche.

Die Formulierung könnte aber Interpretationsspielraum zulassen. Parteichefin Saskia Esken betonte: «Wir können nicht Krisenbewältigung aus dem Normalhaushalt stemmen.» Die Ausnahmeregel der Schuldenbremse müsse nochmals gezogen werden. Mit dem Parteitagsbeschluss geht Kanzler Olaf Scholz (SPD) nun in die weiteren Verhandlungen über den Bundeshaushalt mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner.

Wann kommt die Schuldenbremse zum Zug? Sie kommt vor allem zum Zug, wenn es wirtschaftlich gut läuft. In diesen Zeiten macht der Bund Überschüsse. Da ist die Versuchung der Politik gross, dieses Geld auszugeben. Die Schuldenbremse bindet die Politik zurück. Die Überschüsse sollen verwendet werden, um in der Rezession aufgebaute Schulden abzubauen oder Reserven für zukünftige schwierige Zeiten anzulegen.

20 Jahre Schweizer Schuldenbremse

Box aufklappen Box zuklappen
Bundesrätin Karin Keller-Sutter spricht an der Jubiläumsfeier der Schuldenbremse.
Legende: Bundesrätin Karin Keller-Sutter spricht an der Jubiläumsfeier der Schuldenbremse. Sie bewähre sich noch immer. Keystone/Marcel Bieri

Die Schweizer Schuldenbremse ist bereits 20 Jahre in Kraft. Politiker und Ökonominnen nutzen das Jubiläum, um ein Loblied auf die Schuldenbremse zu singen. Als das Stimmvolk 2001 über die Schuldenbremse abstimmen konnte, haben 85 Prozent zugestimmt. Dieses Instrument hat also eine grosse Legitimation. Es passt wohl auch etwas zum Eigenbild vieler Schweizerinnen und Schweizer, zu diesem Bild der sparsamen und finanzpolitisch seriösen Schweiz.

Gibt es Kritik an der Schuldenbremse? Die Hauptkritik ist, dass die Schuldenbremse den Bund zu Sparsamkeit zwingt und dementsprechend Investitionen verhindert.

Kann der Bund die Schuldenbremse umgehen? Es gibt nicht direkt Schlupflöcher. Aber es gibt Ausnahmen. Die Schuldenbremse ist im Artikel 126 der Bundesverfassung definiert. Der sieht vor, dass das Parlament der Regierung erlauben kann, bei einem ausserordentlichen Zahlungsbedarf Schulden aufzunehmen. Das hat das Parlament während Corona auch getan.

Welches Schlupfloch wollte die deutsche Regierung nutzen? In Deutschland ist Geld, das für die Bewältigung der Corona-Krise vorgesehen war, nicht abgerufen worden. Die deutsche Regierung hat dieses Geld in den Klimafonds für Vorhaben bei der Energiewende geschoben. Das Bundesverfassungsgericht stoppte das Vorhaben.

Warum wird die Schuldenbremse in Deutschland kritisiert? Ein Grund ist, dass die deutsche Schuldenbremse viel weniger alt ist als in der Schweiz. Und sie wurde nicht vom Volk beschlossen, sondern vom Parlament. Sie ist viel weniger tief verankert als in der Schweiz. Ein weiterer Grund ist, dass Deutschlands Infrastruktur in vielen Bereichen in keinem guten Zustand ist – Bahn, Internet, Schulhäuser. Viele Bürgerinnen, Politiker und Ökonomen führen den Investitionsstau auf die Schuldenbremse zurück. Kommt hinzu: Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat den Budgetplänen der Ampelkoalition einen Strich durch die Rechnung gemacht und stellt diese nun vor finanzielle Herausforderungen. Dafür wird auch die Schuldenbremse verantwortlich gemacht.

Blick in den Plenarsaal im Bundestag im Reichstagsgebäude.
Legende: Die Schuldenbremse in Deutschland steht viel mehr in der Kritik als in der Schweiz. Sie ist auch jünger: Sie wurde 2009 nach der Finanzkrise beschlossen. Doch sie ist für den Deutschen Bund erst seit 2016 und für die Bundesländer seit 2020 in Kraft. Keystone/DPA/Michael Kappeler

Was haben die Schuldenbremsen der Schweiz und in Deutschland gebracht? In der Schweiz hat die Schuldenbremse zu einer deutlichen Reduktion der Schuldenquote geführt – zumindest bis Corona. Weil die Schuldenquote vorher so tief war, liegt sie auch jetzt auf einem tiefen Niveau. In Deutschland ist das ähnlich, auch wenn die Schuldenquote viel höher ist als in der Schweiz. Allerdings ist die Schuldenreduktion in Deutschland nicht nur auf die Bremse zurückzuführen, sondern auch auf andere Faktoren. Schon vor der Schuldenbremse in den 2010er-Jahren hat Deutschland gespart.

Wer steht in Sachen Schuldenbremse besser da? Es hängt davon ab, was man als gut oder als schlecht bezeichnet. Der Bund hat eine Schuldenquote von etwas über 15 Prozent, Deutschland über 60 Prozent. Im Vergleich mit anderen Ländern ist Deutschlands Verschuldung sehr tief. Andererseits schreibt der Maastrichtvertrag der EU eine Maximalverschuldung der EU-Länder von 60 Prozent vor.

Ein Haufen feuchte Euroscheine.
Legende: In Italien liegt die Staatsverschuldung bei über 140 Prozent des BIP, in Japan bei über 260 Prozent. Die Lage in Deutschland ist nicht alarmierend, aber ob sie gut ist, ist Interpretationssache. Keystone/DPA/Boris Rössler

Echo der Zeit, 09.12.2023, 18 Uhr

Meistgelesene Artikel