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Umfrage zu Arbeitsbedingungen Angestellte in der Schweiz: autonom, aber unter Druck

Im Europa-Vergleich geht es Angestellten hierzulande gut. Die Arbeitsintensität ist aber überdurchschnittlich belastend, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mitteilte.

59 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz beklagen ein hohes Arbeitstempo. In Europa sind es 49 Prozent. Auch arbeitet man in der Schweiz häufiger in der Freizeit, um die Arbeitsanforderungen zu erfüllen. 36 Prozent geben dies an (Europa: 29 Prozent).

Das sind Ergebnisse einer Umfrage, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) 2021 im Rahmen einer europäischen Erhebung durchgeführt hat. Dabei sind mehr als 71’000 Erwerbstätige aus 35 Ländern über die Arbeitsbedingungen 2021 befragt worden. Die Schweizer Stichprobe besteht aus 1224 Erwerbstätigen und ist repräsentativ für die gesamte Erwerbsbevölkerung.

Aufhorchen lässt auch: 23 Prozent der Angestellten in der Schweiz stellten 2021 eine Gefährdung der Sicherheit oder Gesundheit wegen der Arbeit fest. Dieser Wert ist niedriger als im europäischen Durchschnitt (34 Prozent).

Für die Unia sind die Ergebnisse dennoch alarmierend. In einer Mitteilung schreibt die Gewerkschaft: «Beim Arbeitstempo und beim Termindruck ist die Schweiz Europameisterin. Es besteht klarer Handlungsbedarf, um Stress sowie physische und psychosoziale Belastungen zu reduzieren.»

Seco sieht Ergebnisse nicht nur negativ

Insgesamt berichten 27 Prozent der Angestellten in der Schweiz, dass die Anzahl der Belastungen diejenige der Entlastungen übersteigt. Erkenntnisse aus der Arbeitspsychologie zeigen, dass ein solches Ungleichgewicht dauerhaft zu psychischen und psychophysischen Problemen führen kann.

Arbeitsintensität muss mit Produktivität und höheren Löhnen ins Verhältnis gesetzt werden.
Autor: Boris Zürcher Leiter Direktion für Arbeit, Seco

Das Seco, das die Umfrage durchgeführt hat, sieht die Ergebnisse nicht nur negativ. Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit, sagt: «In der Tat, die Arbeitsintensität ist in der Schweiz hoch, höher als im europäischen Durchschnitt. Aber die Arbeitsintensität muss natürlich auch mit der Produktivität und mit den höheren Löhnen ins Verhältnis gesetzt werden, und da schwingt die Schweiz ganz oben heraus.»

Gewalt am Arbeitsplatz: Ständeratskommission gegen ILO-Konvention

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Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat eine Konvention vorgelegt, mit deren Hilfe Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz bekämpft werden sollen. Nachdem der Nationalrat die Ratifikation angenommen hatte, hat sich die Ständeratskommission für Rechtsfragen am 16. August dagegen ausgesprochen.

Die Kommissionsmehrheit befürchtet, dass die Auslegung des Übereinkommens Tür und Tor für die verschiedensten Anliegen öffnet und dadurch die Gefahr einer Überladung des Schweizer Arbeitsrechts besteht.

Die Schweiz wäre das erste Land, das eine Ratifikation explizit ablehnen würde. 

Dies ist auch vor dem Hintergrund von Interesse, dass das Seco heute bekannt gab, dass neun Prozent der Befragten sagten, durch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz belastet zu sein – ein im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hoher Wert. Eine mögliche Erklärung für die höheren Werte sei die höhere Sensibilisierung auf das Thema in der Schweiz. Das Seco plant nun eine Spezialstudie zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.

Einige positive Aspekte werden hierzulande höher beurteilt als im europäischen Durchschnitt:

  • Entscheidungsfreiheit: 57 Prozent vs. 48 Prozent in Europa
  • Gute Karrierechancen: 59 Prozent vs. 50 Prozent in Europa
  • Beteiligung und Mitsprache am Arbeitsplatz: 65 Prozent vs. 57 Prozent in Europa

Eine hohe Zustimmung gibt es ausserdem für die Unterstützung durch Vorgesetzte sowie Kolleginnen und Kollegen. 71 bzw. 80 Prozent sehen dies in der Schweiz als unterstützend.

Tagesschau, 22.8.2023, 12:45 Uhr

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