Darum geht es: Seit US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, die Preise für Medikamente in den USA senken zu wollen, herrscht Unruhe in der Pharmabranche. Denn bislang konnten die Firmen in den USA die Preise mehr oder weniger frei festsetzen, weil der Markt kaum reguliert ist. Für die Branche sind die USA deshalb ein bedeutender Markt, sie macht dort den Grossteil ihrer Umsätze.
Was die US-Pläne mit der Schweiz zu tun haben: Tiefere Preise in den USA hätten auch Folgen für die Schweiz. Bisher hat die Branche mit den hohen US-Preisen kalkuliert und konnte so das tiefere Preisniveau in Europa hinnehmen. Diese Rechnung könnte bald nicht mehr aufgehen. Die Pharmafirmen erhöhen deshalb den Druck auf Europa. Novartis und Sanofi haben beispielsweise im April die EU öffentlich dazu aufgefordert, die europäischen Preise für Medikamente ans US-Niveau anzupassen – sonst gäbe es künftig weniger Investitionen in Europa. Ähnliche Lobbyarbeit betreibt die Branche auch in der Schweiz.
Was kritisieren die Pharmafirmen konkret in der Schweiz? Sie üben Kritik am Schweizer Preisbildungssystem. Gemäss Branchenverbänden wie Interpharma sei das System veraltet. Die Verhandlungen mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) würden Preise ergeben, die den Nutzen neuer Medikamente nicht angemessen widerspiegeln. Letztlich, so die Branche, gefährde die Schweiz damit den Zugang der Patientinnen und Patienten zu Innovationen. Als Beleg führt die Industrie eine aktuelle Studie an, in der es darum geht, wie schnell ein Land neue Medikamente an die Patienten bringt – also: wie rasch diese Arzneien von den Kassen vergütet werden. Demnach ist die Schweiz unter 36 europäischen Ländern auf Platz 7 – Deutschland dagegen auf Platz 1.
Was ist dran an der Kritik der Branche? Tatsächlich werden in der Schweiz weniger neue Arzneimittel als in Deutschland standardmässig für alle vergütet. Aber dafür gibt es zusätzlich den Weg der Einzelfallvergütung: Patienten können beantragen, dass ihnen ein neues Medikament bezahlt wird, auch wenn es noch nicht zugelassen ist oder noch nicht vergütet wird. Nimmt man diese Einzelfallvergütung dazu, klettert die Schweiz beim Zugang auf Platz vier. Das BAG sieht die Situation deshalb entspannter als die Industrie. Auch die Krebsliga erachtet den Zugang der Schweiz zu neuen Medikamenten nach wie vor als sehr gut.
Gibt es alternative Preisbildungsmodelle? Es gibt zumindest Ideen, die kursieren. Ein Vorschlag aus der Industrie: Medikamentenpreise sollen sich stärker an der Kaufkraft eines Landes orientieren. Denkbar wäre beispielsweise ein Einheitspreis für ganz Europa, den die Länder dann je nach Kaufkraft herunterhandeln würden.
Hätte ein Kaufkraftmodell eine Chance? Das BAG erteilt solchen Modellen eine klare Absage: «Wir haben schon jetzt die höchsten Kosten in Europa», sagt Jörg Indermitte, Leiter der Abteilung Arzneimittel Krankenversicherung. Eine Orientierung an der Kaufkraft würde die Kosten weiter steigern. Gesundheitsexperten weisen noch auf etwas anderes hin: Ein Kaufkraftmodell bräuchte ein international einheitliches System bei der Preisbildung, also auch Transparenz und Zusammenarbeit zwischen den Ländern. Dazu ist es bis jetzt nie gekommen, weil letztlich doch jeder Staat für sich die besten Preise auszuhandeln versucht.