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Veränderungen in der Chefetage Naturwissenschaftler erobern die Konzernspitzen

Bei Roche löst mit Thomas Schinecker ein Molekularbiologe den Juristen Severin Schwan ab. Er bestätigt so einen Trend.

Severin Schwan, lange Zeit bestbezahlter Manager der Schweiz, hat anlässlich der Generalversammlung von Roche, seinen Chefsessel geräumt. Neu ist er Verwaltungsratspräsident des Basler Pharmakonzerns. An seine Stelle als CEO tritt Thomas Schinecker. Dieser ist weder Betriebsökonom noch Jurist – wie Schwan einer war – sondern promovierter Molekularbiologe.

Naturwissenschaftler und Ingenieure als Konzernchefs

Damit folgt Roche einem Trend: Vermehrt übernehmen Naturwissenschaftler und Ingenieure die Chefposten bei grossen Firmen und ersetzen so teilweise Leute, die anfänglich Wirtschaft oder Jurisprudenz studiert haben. Salopp formuliert: mehr ETH statt HSG.

Das zeigt eine Auswertung von Headhunter Guido Schilling, der mit seinem Schilling Report jährlich die Chefetagen der 100 grössten Schweizer Firmen durchleuchtet. So ist der Anteil Konzernchefs mit einer Mint-Ausbildung, also in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft oder Technik, in den letzten drei Jahren von 35 auf 44 Prozent gestiegen.

Säulengrafik mit den Anteilen Konzernchefs mit Mint-Ausbildung in den Jahren 2021 bis 2023
Legende: SRF

«Die Zeit, wo man glaubte, eine Managerin oder ein Manager mit betriebswirtschaftlichem Verständnis könne jedes Unternehmen führen, ist vorbei», sagt Guido Schilling. Denn die Themen in der Wirtschaftswelt seien vielschichtiger geworden und die Herausforderungen für Firmen hätten an Komplexität gewonnen.

«Naturwissenschaftler haben sich bereits im Studium auf einem weissen Blatt orientiert, um Lösungswege für die Zukunft zu finden. Und genau diese Kompetenz ist gefragt, um die Unternehmen in die Zukunft zu führen», so Schilling.

Viele ETH-Absolventen

Gerade ETH-Absolventen haben in der letzten Zeit das Zepter bei grossen Firmen übernommen: Christoph Aeschlimann bei der Swisscom, Suzanne Thoma bei Sulzer, Roberto Cirillo bei der Post oder Philipp Rickenbacher bei Julius Bär (siehe Galerie oben).

Weitere Beispiele der letzten Jahre für den generellen Trend: Computerwissenschaftler Denis Machuel bei Adecco, Material-Ingenieur Silvio Napoli bei Schindler, Elektrotechniker Daniel Schafer bei BLS, Physiker Fabrizio Petrillo bei Axa oder Technik-Ingenieur Björn Rosengren bei ABB.

Die grosse Herausforderung ist, dass die Unternehmen hochqualifizierte Experten frühzeitig erkennen, damit sie es auch bis ganz an die Spitze schaffen.
Autor: Guido Schilling Headhunter Schilling Partners

Naturwissenschaftler und Ingenieure müssten sich aber während ihrer Karriere natürlich betriebswirtschaftliches Wissen aneignen, sagt Guido Schilling. Viele würden darum eine Zusatzausbildung machen. Allerdings seien hier auch die Firmen in der Pflicht.

«Die grosse Herausforderung ist, dass die Unternehmen hoch qualifizierte Experten frühzeitig erkennen in Bezug auf deren Managementpotential und diese dann über internationale Führungsaufgaben entwickeln, damit sie es auch bis ganz an die Spitze schaffen.»

Bei Thomas Schinecker war das der Fall: Nach dem Erreichen des Doktortitels ging er zu Roche. Dort wurde er stark gefördert. Während den 20 Jahren beim Pharmakonzern arbeitete er in sechs verschiedenen Ländern in Europa, Asien und Amerika. So hat der Molekularbiologe das restliche Rüstzeug geholt für den Job an der Spitze von Roche.

Tagesschau, 14.3.2023, 19:30 Uhr

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